Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
wurde, – wissen wir eben so wenig, als wie gewisse Gerüche und Geschmäcke zuerst angenehm gemacht wurden.
Da die natürliche Zuchtwahl durch Konkurrenz wirkt, so adoptirt und veredelt sie die Bewohner einer jeden Gegend nur im Verhältnis zu den andern Bewohnern; daher darf es uns nicht überraschen, wenn die Arten irgend eines Bezirkes, welche nach der gewöhnlichen Ansicht doch speziell für diesen Bezirk geschaffen und angepasst sein sollen, durch die naturalisierten Erzeugnisse aus anderen Ländern besiegt und ersetzt werden, noch dürfen wir uns wundern, wenn nicht alle Einrichtungen in der Natur, so weit wir ermessen können, absolut vollkommen sind, selbst das menschliche Auge nicht, und wenn manche derselben sogar hinter unsern Begriffen von Angemessenheit weit zurückbleiben. Es darf uns nicht befremden, wenn der Stachel der Biene als Waffe gegen einen Feind gebraucht ihren eigenen Tod verursacht; wenn die Drohnen in so ungeheurer Anzahl nur für einen einzelnen Akt erzeugt, und dann größtenteils von ihren unfruchtbaren Schwestern getötet werden; wenn unsere Nadelhölzer eine so unermessliche Menge von Pollen verschwenden; wenn die Bienenkönigin einen instinctiven Haß gegen ihre eigenen fruchtbaren Töchter empfindet; oder wenn die Ichneumoniden sich im lebenden Körper von Raupen nähren u. s. w. Weit mehr hätte man sich nach der Theorie der natürlichen Zuchtwahl darüber zu wundern, dass nicht noch mehr Fälle von Mangel an absoluter Vollkommenheit beobachtet werden.
Die verwickelten und wenig bekannten Gesetze, welche das Entstehen von Varietäten in der Natur beherrschen, sind, so weit unsere Einsicht reicht, die nämlichen, welche auch die Erzeugung verschiedener Spezies geleitet haben. In beiden Fällen scheinen die physikalischen Bedingungen eine direkte und bestimmte Wirkung hervorgebracht zu haben; wie viel können wir aber nicht sagen. Wenn daher Varietäten in ein neues Gebiet eindringen, so nehmen sie gelegentlich etwas von den Charakteren der diesem Bezirk eigentümlichen Spezies an. Bei Varietäten sowohl als bei Arten scheinen Gebrauch und Nichtgebrauch eine beträchtliche Wirkung gehabt zu haben; denn es ist unmöglich, sich diesem Schluss zu entziehen, wenn man z. B. die Dickkopfente ( Micropterus ) mit Flügeln sieht, welche zum Fluge fast eben so wenig brauchbar als die der Hausente sind, oder wenn man den grabenden Tukutuku ( Ctenomys ), welcher mitunter blind ist, und dann gewisse Maulwurfarten betrachtet, die immer blind sind, und ihre Augenrudimente unter der Haut liegen haben, oder endlich wenn man die blinden Tiere in den dunkeln Höhlen Europas und Amerikas ansieht. Bei Arten und Varietäten scheint die correlative Abänderung eine sehr wichtige Rolle gespielt zu haben, so dass, wenn ein Teil abgeändert worden ist, auch andere Teile notwendig modifiziert worden sind. Bei Arten wie bei Varietäten kommt Rückschlag zu längst verlorenen Charakteren gelegentlich vor. Wie unerklärlich ist nach der Schöpfungstheorie die gelegentliche Erscheinung von Streifen an Schultern und Beinen der verschiedenen Arten der Pferdegattung und ihrer Bastarde; und wie einfach erklärt sich diese Tatsache, wenn wir annehmen, dass alle diese Arten von einer gestreiften gemeinsamen Stammform herrühren in derselben Weise, wie unsere domestizierten Taubenrassen von der blau-grauen Felstaube mit schwarzen Flügelbinden!
Wie lässt es sich nach der gewöhnlichen Ansicht, dass jede Art unabhängig erschaffen worden sei, erklären, dass die Artencharaktere oder diejenigen, wodurch sich die verschiedenen Spezies einer Gattung von einander unterscheiden, veränderlicher als die Gattungscharaktere sind, in welchen alle übereinstimmen? Warum wäre z. B. die Farbe einer Blüte in irgend einer Art einer Gattung, wo alle übrigen Arten mit anderen Farben versehen sind, eher zu variieren geneigt, als wenn alle Arten derselben Gattung von gleicher Farbe sind? Wenn Arten nur stark ausgezeichnete Varietäten sind, deren Charaktere schon in hohem Grade beständig geworden sind, so begreift sich dies; denn sie haben bereits seit ihrer Abzweigung von einer gemeinsamen Stammform in gewissen Merkmalen variirt, durch welche sie eben spezifisch von einander verschieden geworden sind; und deshalb werden auch diese nämlichen Charaktere noch fortdauernd unbeständiger sein, als die Gattungscharaktere, die sich schon seit einer unermesslichen Zeit unverändert vererbt haben. Nach der Theorie der Schöpfung ist es
Weitere Kostenlose Bücher