Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Darwin
Vom Netzwerk:
verhältnismäßig so unbedeutenden Verschiedenheiten derselben begreifen. Der Mensch kann kaum oder nur sehr schwer andere als äußerlich sichtbare Abweichungen der Struktur bei seiner Auswahl beachten, und er kümmert sich in der Tat nur selten um das Innere. Er kann durch Zuchtwahl nur auf solche Abänderungen einwirken, welche ihm von der Natur selbst in anfänglich schwachem Grade dargeboten werden. So würde nie Jemand versuchen, eine Pfauentaube zu machen, wenn er nicht zuvor schon eine Taube mit einem in etwas ungewöhnlicher Weise entwickelten Schwanze gesehen hätte, oder einen Kröpfer, ehe er eine Taube gefunden hätte, mit einem ungewöhnlich großen Kropfe. Je abnormer und ungewöhnlicher ein Charakter bei seinem ersten Erscheinen war, desto mehr wird derselbe die Aufmerksamkeit gefesselt haben. Doch ist ein derartiger Ausdruck, wie »Versuchen eine Pfauentaube zu machen«, in den meisten Fällen äußerst incorrect. Denn der, welcher zuerst eine Taube mit einem etwas stärkeren Schwanze zur Nachzucht auswählte, hat sich gewiss nicht träumen lassen, was aus den Nachkommen dieser Taube durch teils unbewusste, teils planmäßige Zuchtwahl werden würde. Vielleicht hat der Stammvater aller Pfauentauben nur vierzehn etwas ausgebreitete Schwanzfedern gehabt, wie die jetzige Javanesische Pfauentaube oder wie die Individuen von verschiedenen anderen Rassen, an welchen man bis zu 17 Schwanzfedern gezählt hat. Vielleicht hat die erste Kropftaube ihren Kropf nicht stärker auf geblähet, als es jetzt die Möventaube mit dem oberen Teile der Speiseröhre zu tun pflegt, eine Gewohnheit, welche bei allen Taubenliebhabern unbeachtet bleibt, weil sie keinen Gesichtspunkt für ihre Zuchtwahl abgibt.
    Man darf aber nicht annehmen, dass es erst einer großen Abweichung in der Struktur bedürfe, um den Blick des Liebhabers auf sich zu ziehen; er nimmt äußerst kleine Verschiedenheiten wahr, und es ist in des Menschen Art begründet, auf eine wenn auch geringe Neuigkeit in seinem eigenen Besitze Wert zu legen. Auch ist der anfangs auf geringe individuelle Abweichungen bei Individuen einer und derselben Art gelegte Wert nicht mit demjenigen zu vergleichen, welcher denselben Verschiedenheiten jetzt beigelegt wird, nachdem einmal mehrere reine Rassen dieser Art hergestellt sind. Viele geringe Abänderungen treten bekanntlich bei Tauben gelegentlich auf; sie werden aber als Fehler oder als Abweichungen vom vollkommenen Typus einer Rasse jedesmal verworfen. Die gemeine Gans hat keine auffallende Varietät geliefert; daher wurden die Toulouse- und die gewöhnliche Rasse, welche nur in der Farbe, dem biegsamsten aller Charaktere, verschieden sind, bei unseren Geflügel-Ausstellungen für verschieden ausgegeben.
    Diese Ansichten erklären ferner, wie ich meine, eine zuweilen gemachte Bemerkung, dass wir nämlich nichts über den Ursprung oder die Geschichte irgend einer unserer Hausrassen wissen. Man kann indessen von einer Rasse, wie von einem Sprachdialecte, in Wirklichkeit kaum sagen, dass sie einen bestimmten Ursprung gehabt habe. Jemand erhält und gebraucht irgend ein Individuum mit geringen Abweichungen des Körperbaues zur Nachzucht, oder er verwendet mehr Sorgfalt als gewöhnlich darauf, seine besten Tiere mit einander zu paaren, und verbessert dadurch seine Zucht; und die verbesserten Tiere verbreiten sich langsam in die unmittelbare Nachbarschaft. Da sie aber bis jetzt noch schwerlich einen besonderen Namen haben und sie noch nicht sonderlich geschätzt sind, so achtet Niemand auf ihre Geschichte. Wenn sie dann durch dasselbe langsame und stufenweise Verfahren noch weiter veredelt worden sind, breiten sie sich immer weiter aus und werden jetzt als etwas Besonderes und Wertvolles anerkannt und erhalten wahrscheinlich nun erst einen Provincialnamen. In halb-civilisierten Gegenden mit wenig freiem Verkehr mag die Ausbreitung und Anerkennung einer neuen Unterrasse ein langsamer Vorgang sein. Sobald aber die einzelnen wertvolleren Eigenschaften der neuen Unterrasse einmal vollständig anerkannt sind, wird stets das von mir so genannte Prinzip der unbewussten Zuchtwahl – vielleicht zu einer Zeit mehr als zur andern, je nachdem eine Rasse in der Mode steigt oder fällt, und vielleicht mehr in einer Gegend als in der anderen, je nach der Civilisationsstufe ihrer Bewohner – langsam auf die Häufung der charakteristischen Züge der Rasse hinwirken, welcher Art sie auch sein mögen. Aber es ist unendlich wenig Aussicht

Weitere Kostenlose Bücher