Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
Provinzen, in welche Watson Großbritannien eingeteilt hat. Nun sind im nämlichen Cataloge auch 53 anerkannte Varietäten aufgezählt, und diese erstrecken sich über 7,7 Provinzen, während die Arten, wozu diese Varietäten gehören, sich über 14,3 Provinzen ausdehnen. Daher denn die anerkannten Varietäten eine beinahe eben so beschränkte mittlere Verbreitung besitzen, als jene nahe verwandten Formen, welche Watson als zweifelhafte Arten bezeichnet hat, die aber von englischen Botanikern fast ganz allgemein für gute und echte Arten genommen werden.
Schluss
Es können denn also Varietäten von Arten nicht unterschieden werden, außer: erstens durch die Entdeckung von verbindenden Mittelgliedern, und zweitens durch ein gewisses unbestimmtes Maß von Verschiedenheit; denn zwei Formen werden, wenn sie nur sehr wenig von einander abweichen, allgemein nur als Varietäten angesehen, wenn sie auch durch Mittelglieder nicht verbunden werden können; der Betrag von Verschiedenheit aber, welcher zur Erhebung zweier Formen zum Artenrang für nötig gehalten wird, kann nicht bestimmt werden. In Gattungen, welche mehr als die mittlere Artenzahl in einer Gegend haben, zeigen die Arten auch mehr als die Mittelzahl von Varietäten. In großen Gattungen sind sich die Arten nahe, aber in ungleichem Grade verwandt und bilden kleine um gewisse Arten sich ordnende Gruppen. Mit andern sehr nahe verwandte Arten sind allem Anschein nach von beschränkter Verbreitung. In all’ diesen verschiedenen Beziehungen zeigen die Arten großer Gattungen eine starke Analogie mit Varietäten. Und man kann diese Analogien ganz gut verstehen, wenn Arten einst nur Varietäten gewesen und aus diesen hervorgegangen sind; wogegen diese Analogien vollständig unerklärlich sein würden, wenn jede Spezies unabhängig erschaffen worden wäre.
Wir haben nun auch gesehen, dass es die am besten gedeihenden oder herrschenden Spezies der größeren Gattungen in jeder Klasse sind, die im Durchschnitt genommen die größte Zahl von Varietäten liefern; und Varietäten haben, wie wir hernach sehen werden, Neigung in neue und bestimmte Arten verwandelt zu werden. Dadurch neigen auch die großen Gattungen zur Vergrößerung, und in der ganzen Natur streben die Lebensformen, welche jetzt herrschend sind, noch immer mehr herrschend zu werden durch Hinterlassung vieler abgeänderter und herrschender Abkömmlinge. Aber auf nachher zu erläuternden Wegen streben auch die größeren Gattungen immer mehr sich in kleine aufzulösen. Und so werden die Lebensformen auf der ganzen Erde in Gruppen abgeteilt, welche andern Gruppen untergeordnet sind.
Drittes Kapitel – Der Kampf um’s Dasein
Seine Beziehung zur natürlichen Zuchtwahl. — Der Ausdruck im weiten Sinne gebraucht. — Geometrisches Verhältnis der Zunahme. — Rasche Vermehrung naturalisierter Pflanzen und Tiere. — Natur der Hindernisse der Zunahme. — Allgemeine Konkurrenz. — Wirkungen des Klima. — Schutz durch die Zahl der Individuen. — Verwickelte Beziehungen aller Tiere und Pflanzen in der ganzen Natur. — Kampf um’s Dasein am heftigsten zwischen Individuen und Varietäten einer Art, oft auch heftig zwischen Arten einer Gattung. — Beziehung von Organismus zu Organismus die wichtigste aller Beziehungen.
Ehe wir auf den Gegenstand dieses Kapitels eingehen, muss ich einige Bemerkungen voraussenden, um zu zeigen, wie der Kampf um’s Dasein sich auf die natürliche Zuchtwahl bezieht. Es ist im letzten Kapitel gezeigt worden, dass die Organismen im Naturzustande eine individuelle Variabilität besitzen, und ich wüßte in der Tat nicht, dass dies je bestritten worden wäre. Es ist für uns unwesentlich, ob eine Menge von zweifelhaften Formen Art, Unterart oder Varietät genannt werde; welchen Rang z. B. die 200–300 zweifelhaften Formen britischer Pflanzen einzunehmen berechtigt sind, wenn die Existenz ausgeprägter Varietäten zulässig ist. Aber das blosse Vorhandensein individueller Variabilität und einiger weniger wohlausgeprägter Varietäten, wenn auch notwendig als Grundlage für die Arbeit, hilft uns nicht viel, um zu begreifen, wie Arten in der Natur entstehen. Wie sind alle jene vortrefflichen Anpassungen von einem Teile der Organisation an den andern und an die äußeren Lebensbedingungen und von einem organischen Wesen an ein anderes bewirkt worden? Wir sehen diese schöne Anpassung außerordentlich deutlich bei dem Specht und der Mistelpflanze und nur wenig minder
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