Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
nur langsam vermehrenden Rinder und Pferde in Süd-Amerika und neuerlich in Australien nicht sicher bestätigt wären, sie ganz unglaublich erscheinen müssten. Ebenso ist es mit den Pflanzen. Es ließen sich Fälle von eingeführten Pflanzen aufzählen, welche auf ganzen Inseln in weniger als zehn Jahren gemein geworden sind. Mehrere der jetzt auf den weiten Ebenen des La-Plata-Gebietes am zahlreichsten verbreiteten, Flächen von Quadratmeilen an Größe fast mit Ausschluss aller andern bedeckenden Pflanzen, wie die Artischoke und eine hohe Distel, sind von Europa eingeführt worden; und ebenso gibt es, wie ich von Dr. Falconer gehört, in Ost-Indien Pflanzen, welche jetzt vom Cap Comorin bis zum Himalaya verbreitet und doch erst seit der Entdeckung von Amerika von dorther eingeführt worden sind. In Fällen dieser Art, – und es könnten zahllose andere angeführt werden –, wird Niemand annehmen, dass die Fruchtbarkeit solcher Pflanzen und Tiere plötzlich und zeitweise in einem irgendwie merklichem Grade zugenommen habe. Die handgreifliche Erklärung ist, dass die äußeren Lebensbedingungen sehr günstig, dass in dessen Folge die Zerstörung von Jung und Alt geringer und dass fast alle Abkömmlinge im Stande gewesen sind, sich fortzupflanzen. In solchen Fällen genügt schon das geometrische Verhältnis der Zahlenvermehrung, dessen Resultat stets in Erstaunen versetzt, um einfach die außerordentlich schnelle Zunahme und die weite Verbreitung naturalisierter Einwandrer in ihrer neuen Heimat zu erklären.
Im Naturzustande bringt fast jede erwachsene Pflanze jährlich Samen hervor, und unter den Tieren sind nur sehr wenige, die sich nicht jährlich paarten. Wir können daher mit Zuversicht behaupten, dass alle Pflanzen und Tiere sich in geometrischem Verhältnise zu vermehren streben, dass sie jede Gegend, in welcher sie nur irgendwie existieren könnten, sehr rasch zu bevölkern im Stande sein würden, und dass dieses Streben zur geometrischen Vermehrung zu irgend einer Zeit ihres Lebens durch zerstörende Eingriffe beschränkt werden muss. Unsere genauere Bekanntschaft mit den größeren Haustieren leitet zwar, wie ich glaube, unsere Meinung in dieser Beziehung ganz irre, da wir keine große Zerstörung sie treffen sehen; aber wir vergessen, dass Tausende jährlich zu unserer Nahrung geschlachtet werden, und dass im Naturzustande wohl ebenso viele irgendwie beseitigt werden müssten.
Der einzige Unterschied zwischen den Organismen, welche jährlich Tausende von Eiern oder Samen hervorbringen, und jenen, welche deren nur äußerst wenige liefern, besteht darin, dass diese letzteren ein paar Jahre mehr brauchen, um unter günstigen Verhältnisen einen Bezirk zu bevölkern, sei derselbe auch noch so groß. Der Condor legt zwei Eier und der Strauß deren zwanzig, und doch dürfte in einer und derselben Gegend der Condor leicht der häufigere von beiden werden. Der Eissturmvogel ( Prozellaria glacialis ) legt nur ein Ei, und doch glaubt man, dass er der zahlreichste Vogel in der Welt ist. Die eine Fliege legt hundert Eier und die andere, wie z. B. Hippobosca , deren nur eines; diese Verschiedenheit bestimmt aber nicht die Menge der Individuen, die in einem Bezirk ihren Unterhalt finden können. Eine große Anzahl von Eiern ist von Wichtigkeit für diejenigen Arten, deren Nahrungsvorräthe raschen Schwankungen unterworfen sind; denn sie gestattet eine Vermehrung in kurzer Frist. Aber die wirkliche Bedeutung einer großen Zahl von Eiern oder Samen liegt darin, dass sie eine stärkere Zerstörung, welche zu irgend einer Lebenszeit erfolgt, ausgleicht; und diese Zeit des Lebens ist in der großen Mehrheit der Fälle eine sehr frühe. Kann ein Tier in irgend einer Weise seine eigenen Eier und Jungen schützen, so mag es deren nur eine geringere Anzahl erzeugen: es wird doch die ganze durchschnittliche Anzahl aufbringen; werden aber viele Eier oder Junge zerstört, so müssen deren viele erzeugt werden, wenn die Art nicht untergehen soll. Wird eine Baumart durchschnittlich tausend Jahre alt, so würde es zur Erhaltung ihrer vollen Anzahl genügen, wenn sie in tausend Jahren nur einen Samen hervorbrächte, vorausgesetzt, dass dieser eine nie zerstört und mit Sicherheit auf einen geeigneten Platz zur Keimung gebracht würde. So hängt in allen Fällen die mittlere Anzahl von Individuen einer jeden Pflanzen- oder Tierart nur indirekt von der Zahl ihrer Samen oder Eier ab.
Bei Betrachtung der Natur ist es nötig, die
Weitere Kostenlose Bücher