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Die Entstehung des Doktor Faustus

Die Entstehung des Doktor Faustus

Titel: Die Entstehung des Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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untergebracht hatte. – Übrigens bewahrte Kitty Neumann mich vor einer ernsten Kompromittierung meiner Münchener Lokalkunde. Ich hatte zum Schauplatz von Ines’ Untat einen Wagen der Linie 1 gemacht, – die doch niemals nach Schwabing gegangen ist! Mehrere andere standen zur richtigen Wahl, und »Linie 10« heißt es nun ehrenhaft im Text, dank der Wachsamkeit dieser Zuhörerin, die mich sogleich in bodenständiger Rede auf den Lapsus hinwies.
    Wieder einmal sprachen die Leutchen aus San Francisco ein, und der Vermerk »Für Frido gezeichnet, eine Palme, eine Eisenbahn, einen Cellospieler, ein brennendes Haus« ist wieder da. Mehrfach beschreibt nun das Tagebuch das anmutige Kind schon in einer transfigurierenden, entrückenden und verklä {566} renden Art, nämlich mit dem Wort »elfenhaft«. »Wirkt wie ein Elf.« »Morgens mit dem elfenhaften Kleinen auf meinem Balkon …« Seine Stunde näherte sich. Kapitel XLII, und damit der vorletzte Teil des Buches, war gegen Ende Oktober geschlossen, am Letzten des Monats das XLIII., das Kapitel der Kammermusik, begonnen worden, hinführend schon zu dem Klage-Oratorium, dessen Ausführung dann durch das Erscheinen und den furchtbaren Hingang des wunderbaren Kindes noch verzögert wird. Wie viele beschäftigende Vorkommnisse, politische und persönliche, Erfahrungen der Lektüre, gesellschaftliche Zwischenfälle und solche, die der Post-Eingang mit sich bringt, spielen aber fortwährend ins Hauptbetreiben, das laufende Werk hinein, dem ja immer nur drei, vier beste, hermetisch abgesonderte Tagesstunden eigentlich angehören! Die Lektüre betreffend, so schienen noch immer die Romane Conrads die dem gegenwärtigen Stadium meines eigenen »Romans« angepaßteste, oder doch am wenigsten störende, Unterhaltung zu sein: Ich las
The Nigger of the Narcissus, Nostromo, The Arrow of Gold, An Outcast of the Islands
, und wie alle diese vorzüglichen Dinge heißen, mit großem Genuß, aber auch ganz anders Geartetes, wie Hoffmanns
Elementargeist
und rein Philologisches, die Sprachphantasie Nährendes und Anregendes, wie
Sprichwörter des Mittelalters
von dem ehrwürdigen Samuel Singer in Bern. Im September hatte der Konflikt Wallace-Byrnes gespielt, und der Secretary of Commerce, der durch seine außenpolitische Rede das »Friedenswerk« von Paris gefährdet hatte, wurde von Roosevelts Nachfolger und Geschöpf fallen gelassen. »Praised by Reds« war sein Stigma, und nicht lange mehr, so sollte der Mann von Iowa, mehr oder weniger rhetorisch, aufgefordert werden, als Foreign Agent zu registrieren. An dem Abend, an welchem das Radio seine Demission gemeldet hatte, sandten wir ihm ein Sympathie-Telegramm. Churchills Pan- {567} Europa-Rede in Zürich, deutsch-französische Cooperation unter amerikanischer und
russischer
Gönnerschaft befürwortend, fiel auch in diese Tage. An suspekter Deutschfreundlichkeit übertraf sie die Stuttgarter Äußerungen des amerikanischen Staatssekretärs, und klarer als je zeichnete der Wille zur Wiederaufrüstung Deutschlands gegen Rußland sich ab, zusammen mit der persönlichen Hoffnung des alten Kämpen auf »one more gallant fight«. Anfang November folgte bei uns der Wahlsieg der Republikaner mit etwa 55 zu 45%. Europäische Kommentare gingen dahin, Truman habe der Partei zu viel Mißachtung zugezogen, und im Gegensatz zur ganzen übrigen Welt stehe Amerika rechts. Es würde nicht stehen bleiben, wo es schon stand. Mächtige Interessen waren am Werk, das Werk Roosevelts gründlich zu demolieren, die Reue darüber, daß man mit Rußland Deutschland geschlagen und nicht lieber Rußland mit Deutschland, zur Wut anzufachen, die Regressionsbewegung weiterzutreiben – wie weit? Bis zum Fascismus? Bis zum Krieg? – Auch dieses alles, in seinen Einzelsymptomen täglich verfolgt, nahm die Gedanken in Anspruch und gehörte, wie die Ereignisse der vergangenen Jahre, zum Hintergrund des Romans eines Romans.
    Nicht ohne politischen Einschlag war ein intimeres Vorkommnis von Ende September: Die Post brachte den Brief eines ehemaligen Bonner Professors, jetzt in London tätig, der beauftragt worden war, vorsorglich bei mir anzufragen, ob ich bereit sei, das mir unter Nazidruck abgesprochene Ehrendoktorat der Bonner Philosophischen Fakultät wieder anzunehmen. Meine Antwort lautete in natürlicher Versöhnlichkeit: »Aber gern!« – und barg den beruhigenden Hintergedanken, daß ja, was ich anno 1936
,
anläßlich meiner nationalen und akademischen

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