Die Erben
Gesichter verzerrten. Der Alte schwang die Schlange durch die Luft und hieb sie auf die bebenden Rücken. Der Stamm ruckte vorwärts.
Nach einer Weile bemerkte Lok auch die übrigen der neuen Gefährten. Die dicke Frau stand ganz abseits zwischen Lok und dem Stamm und hielt das Junge auf dem Arm. Jetzt sah Lok, was Fa mit der Angst der Neuen gemeint hatte, denn die dicke Frau spähte unablässig in die Runde, und ihr Gesicht leuchtete noch bleicher als zuvor auf der Lichtung. Tanakil stand so dicht bei ihr, daß sie zum Teil verdeckt war. Es schien, als öffneten sich mit einemmal seine Augen, und er sah, wie die Angst das rasende Zerren an dem Stamm beschleunigte. Die Neuen unterwarfen sich der Schlange, als vermöchte sie aus ihren ohnehin so mageren Leibern noch eine Kraft herauszuholen, über die sie selbst nicht mehr geboten. Wilde Hast sprach aus den Anstrengungen Tuamis und der kreischenden Stimme des Alten. Sie zogen sich über den Hang zurück, als stellten ihnen Katzen mit ihren bösen Zähnen nach, als flösse der Fluß den Berg hinauf. Aber der Fluß verharrte in seinem Bett, und nichts war auf dem Hang zu sehen außer den Neuen.
»Sie haben Angst vor der Luft.«
Kiefer schrie und rutschte aus, und sogleich stieß Tuami den Stein hinter den Stamm. Sie traten schwatzend um Kiefer herum, und der Alte drohte mit der Schlange. Tuami deutete den Hang hinauf. Er bückte sich, und ein Stein flog mit dumpfem Laut wider den hohlen Stamm. Aus dem Gerede wurde ein Schrei. Tuami stemmte mit aller Kraft und hielt den Stamm, der zur Seite abrutschte, an einem Balgstreifen. Er schlang den Streifen um einen Fels, und dann schwärmten die Männer bergaufwärts aus. Fa trat hervor, eine kleine, rote Gestalt, die über ihnen zwischen den Felsen umhersprang. Lok sah, wie sie den Arm schwang, und dann sauste ein weiterer Stein durch die anrückende Linie. Die Männer bogen ihre Stöcke und ließen sie plötzlich wieder auseinanderschnellen. Lok sah auch Holzstücke den Berg hinauffliegen, zögern, ehe sie Fa erreichten, wenden und zurückkommen. Noch ein Stein schlug wider den Fels bei dem Stamm, und die dicke Frau kam zu der Klippe heraufgerannt, wo Lok war. Sie blieb stehen und wandte sich um, doch Tanakil lief weiter bis zum Grat, erblickte ihn und schrie auf. Er sprang hoch und packte sie, ehe die dicke Frau sich wieder umdrehen konnte. Er faßte sie an ihren dünnen Armen und redete hastig auf sie ein.
»Wo ist Liku? Sag mir: wo ist Liku?« Bei dem Namen Liku begann Tanakil sich zu winden und zu kreischen, als sei sie in tiefes Wasser gefallen. Die dicke Frau schrie auch, und das Junge war ihr auf die Schulter geklettert. Der Alte rannte den Grat der Klippe entlang. Kastanienkopf kam von dem Stamm her. Er schoß geradewegs auf Lok zu, und seine Zähne waren entblößt. Das Kreischen und die Zähne erschreckten Lok. Er ließ Tanakil los, daß sie zurücktaumelte. Ihr Fuß traf Kastanienkopf am Knie, gerade als er sich auf Lok stürzen wollte. Er sauste an Lok vorbei durch die Luft, stieß einen leisen Ruf aus und fiel über die Klippe hinab. Sein Körper folgte genau der sanften Wölbung des steilen Abfalls, so daß er auf dem Bauch daran vorbeizustreifen schien. Nie mehr als eine Handbreit von der Felswand entfernt und sie doch nicht berührend verschwand er, daß nicht ein einziger Schrei von ihm übrigblieb. Der Alte schleuderte einen Stock, und Lok sah, daß vorn ein spitzer Stein befestigt war, und wich ihm aus. Dann rannte er zwischen der mit erstarrt aufgerissenem Mund dastehenden dicken Frau und der auf den Rücken gestürzten Tanakil hindurch. Die Männer, die Zweige und Holzstücke nach Fa geworfen hatten, wandten sich um und starrten auf Lok. Er eilte schnell über den Hang auf den hohlen Stamm zu und verfing sich in dem Balgstreifen, der diesen festhielt und erst nachgab, als er sich fast das ganze Schienbein aufgeschunden hatte. Der Stamm begann abwärts zu gleiten. Die Neuen wandten den erstarrten Blick von Lok fort auf den Stamm, so daß er im Lauf den Kopf wandte, um zu sehen, wonach sie Ausschau hielten. Der Stamm rutschte auf zwei runden Hölzern immer schneller, und dann waren die Hölzer nicht mehr nötig. Der Stamm löste sich vom Boden, wo der Hang steiler abfiel, und fuhr durch die Luft. Das hintere Ende schlug auf eine Felsspitze, und der Stamm spaltete sich der Länge nach in zwei Hälften. Die zwei Hälften sausten weiter, wirbelten und drehten sich umeinander, bis sie in den Wald stürzten.
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