Die Erben
Lok sprang in eine Felsrinne, und die Neuen waren außer Sicht. Fa hastete am oberen Ende der Rinne umher, und Lok rannte ihr entgegen, so schnell er konnte. Die Männer kamen über die Felsen mit ihren gebogenen Stöcken näher, doch er erreichte Fa vor ihnen. Sie wollten weiterklettern, aber da hielten sie inne, denn der Alte rief ihnen etwas zu. Wenn auch Lok die Worte nicht verstehen konnte so verstand er doch seine Gesten. Die Männer eilten über den Hang wieder hinab und verschwanden. Auch Fa zeigte die Zähne.
Sie kam mit erhobenen Armen auf ihn zu, und in einer Hand war noch ein scharfer Stein. »Warum hast du das Junge nicht mitgenommen?« Lok streckte abwehrend die Hände aus. »Ich habe nach Liku gefragt. Ich habe Tanakil nach Liku gefragt.«
Fas Arme fielen langsam herab. »Komm!«
Die Sonne sank auf die Schlucht hinab in einem Wirbel aus Gold und Rot. Sie sahen die Neuen auf der Terrasse umherhasten, während Fa auf dem Pfad zur Klippe über der Höhlennische voranging. Die Neuen hatten den hohlen Stamm an das flußaufwärtige Ende der Terrasse gebracht und versucht, ihn an dem Wirrwarr von Bäumen vorbeizuschieben, der sich da angesammelt hatte, wo Lok und Fa zur Insel hinübergegangen waren. Sie ließen ihn von der Terrasse hinabrutschen, und dann lag er im Wasser, rings von Bäumen umgeben. Die Männer zerrten an den Bäumen und wollten sie zur anderen Seite des Felsens hinüberdrücken, damit sie der Wasserfall mit sich risse. Fa rannte auf dem Berg hin und her. »Sie werden das Junge mitnehmen!«
Sie begann die Steilseite des Felsens hinabzueilen, während die Sonne in die Schlucht eintauchte. Jetzt war ein Rot über den Bergen, und die Eisfrauen standen in Flammen. Lok rief plötzlich, und Fa blieb stehen und schaute auf das Wasser hinunter. Ein Baum trieb auf das Durcheinander von Stämmen zu; kein kleiner Stamm, kein abgesplitterter Teil, sondern ein ganzer, großer Baum von einem Wald weit hinter dem Horizont. Er schwamm am diesseitigen Ufer der Schlucht entlang, ein riesiger Haufen knospender Zweige und Äste, ein mächtiger, halb verdeckter Stamm, und Wurzeln, die aus dem Wasser herausragten und so viel Erde festhielten, daß man daraus allen Gefährten auf der Welt eine Feuerstelle machen konnte. Als er in Sicht kam, begann der Alte zu brüllen und zu hüpfen. Die Frauen sahen von den Bündeln auf, die sie in den hohlen Stamm hoben, und die Männer sprangen über den Hölzerwirrwarr ans Ufer zurück. Die Wurzeln stießen in das Durcheinander, und zersplitterte Stämme schossen in die Luft oder stellten sich langsam aufrecht, verfingen sich in den Wurzeln und hielten sie fest. Der Baum kam nicht mehr weiter und drehte bei, bis er längs der Klippe jenseits der Terrasse lag. Jetzt glich das Gewirr von Bäumen, das den hohlen Stamm vom freien Wasser trennte, einer einzigen Reihe von Dornen. Es war zu einem unüberwindlichen Hindernis geworden. Der Alte hörte auf zu schreien. Er lief auf eines der Bündel zu und öffnete es. Er rief nach Tuami, der mit Tanakil an der Hand herbeieilte. Sie kamen die Terrasse entlang. »Schnell!«
Fa eilte den Berg hinab dem Eingang der Terrasse und der Höhlennische entgegen. Im Laufen rief sie Lok zu: »Wir nehmen ihnen Tanakil ab. Dann werden sie uns das Junge zurückgeben.«
Der Fels hatte sich gewandelt. Die Farben, die die Welt ertränkt hatten, als Lok aus seinem Honigschlaf erwachte, waren satter, kräftiger. Ihm schien, er springe und hüpfe durch eine Flutwelle roter Luft, und die Schatten hinter den Felsen waren von hellem Violett. Er sprang den Hang hinunter.
Nebeneinander hielten sie am Eingang zur Terrasse inne und duckten sich nieder. Der Fluß ging in dunkles Rot über mit goldenen Blitzen darauf. Die Berge jenseits des Wassers tauchten in solche Düsternis, daß Lok erst nach scharfem Ausspähen sah, daß sie dunkelblau waren. Der Wirrwarr und der Baum und die geschäftigen Gestalten darauf waren schwarz, doch die Terrasse und die Höhlennische erleuchtete noch hell der rötliche Schein. Der Hirsch tanzte wieder, tanzte über die Bodenwelle, die zur Höhlennische hinaufführte, und blickte auf die Stelle vor der rechten Wandvertiefung, an der Mal gestorben war. Er hob sich schwarz ab vom Feuer der untergehenden Sonne, und wenn er sich bewegte, schwang er lange Sonnenstrahlen, die das Auge blendeten. Tuami hantierte in der Höhlennische und schmierte Farbe auf eine Gestalt, die zwischen den beiden Wandvertiefungen an dem Säulenfelsen
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