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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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Brages Schiff sich näherte und im Hafen andockte. Leinen wurden über Bord geworfen und Helfer wuselten herbei, um die Taue des Schoners am Hafen zu befestigen. Eine breite, hölzerne Brücke wurde herabgelassen, die das Schiff bald mit dem Kai verband.
    Nur kurze Zeit später trugen kräftige, bärtige Männer große Kisten und Körbe von Bord.
    »Hier.«
    Charlie drückte Kunar Glers Zügel in die Hand. »Ich gehe mich dann mal vorstellen«, sagte sie, fühlte sich aber weniger mutig, als sie sich gab. Charlie bahnte sich den Weg bis zur Brücke und blieb unschlüssig stehen.
    »He! Du da!«, sprach sie prompt ein grobschlächtiger Mann barsch an. »Aus dem Weg!«
    »Ich … ich suche den Kapitän dieses Schiffes«, sagte sie etwas eingeschüchtert.
    »Los, aus dem Weg!«, wiederholte der Mann. Charlie schob den Brustkorb vor.
    »Ich wünsche sofort Kapitän Brage zu sprechen!«, rief sie mit fester Stimme und hoffte eindringlich, dass der ungehobelte Kerl sie nicht eigenhändig ins Hafenbecken warf. Er sah Charlie an, als würde er nichts lieber tun, als ihre Befürchtungen zu erfüllen.
    »Wer will das wissen?«, brüllte er ihr zu.
    Jetzt kam es darauf an.
    Charlie nahm all ihren Mut zusammen.
    »Ich bin auf Befehl meines Herren hier!«, rief sie.
    »Er schickt mich mit persönlichen Gegenständen zu Kapitän Brage!«
    Ihr Gegenüber zögerte kurz.
    »Wer ist dein Herr?«, fragte er misstrauisch.
    »Das geht dich nichts an!« Charlie versuchte so viel Selbstvertrauen und Überzeugung wie möglich in ihre Worte zu legen. »Wie ich bereits sagte, handelt es sich um etwas Persönliches!«
    Der Mann schien verunsichert. Falls die Geschichte stimmte, würde es sein Kapitän gar nicht gut finden, wenn er diesem Bengel die Ohren lang zog.
    »Was ist hier los?« Eine tiefe, voluminöse Stimme brachte beide zum Schweigen. Der Mann, dem sie gehörte und der nun an Deck erschien, war ebenfalls gebaut wie ein Bär. Charlie stach sofort sein grauer Schnurrbart ins Auge. Die verzwirbelten Enden ragten auseinander wie zwei abstehende Dolche. Charlie hätte ihren Hexenstein darauf verwettet, dass das Kapitän Brage war.
    »Dieser Bengel wünscht euch zu sprechen, mein Herr«, sagte der Grobschlächtige kleinlaut. Kapitän Brage sah von der Brücke aus zu Charlie hinab.
    »Leif, du übernimmst das Kommando!«, befahl Brage einem weiteren Matrosen und marschierte mit großen Schritten die Brücke hinunter, die unter seinem Gewicht gewaltig schwankte.
    Ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, als würde sie einem Bergtroll gegenüberstehen, ließ Charlie einen Schritt zurücktreten.
    »Was kann ich für dich tun?«, fragte Kapitän Brage und musterte Charlie von oben bis unten. Sie hatte ihre Kapuze immer noch weit ins Gesicht gezogen, sah aber trotzig zu ihm auf.
    »Biarn hat gesagt, dass ich Ihnen trauen kann«, sagte sie und fühlte sich von Sekunde zu Sekunde unwohler. Es blitzte in Kapitän Brages Augen auf.
    »Biarn, hm?« Dann nickte er kurz. »Wir treffen uns in einer halben Stunde an der großen Wichtelfichte am nördlichen Stadtrand«, flüsterte er ihr zu.
    Dann fügte er laut hinzu:
    »Danke für die Nachricht, mein Junge!«, und wandte sich zum Gehen. Charlie eilte zu Tora und Kunar zurück. Sie fühlte, wie die mürrischen Blicke des Grobschlächtigen sie verfolgten.
     
    Es war bereits etwas mehr als eine halbe Stunde vergangen, und Charlie schaute nervös den viel begangenen Weg hinab.
    »Und wenn er nicht kommt?«, fragte Tora unruhig. Kunar lehnte an der Wichtelfichte, die als Treffpunkt vereinbart war, und kaute an einem Grashalm.
    »Da ist er«, rief er und stieß sich vom Baumstamm ab. Wegen seiner Größe war es unmöglich, Kapitän Brage zu übersehen. Charlie sah der Begegnung mit gemischten Gefühlen entgegen.
    »Hier entlang!«, befahl Kapitän Brage kurz und zeigte auf einen Pfad, der hinter der großen Wichtelfichte im lichten Wald verschwand. Charlie zupfte an Glers Zügeln. Das Einhorn ließ sich nur widerstrebend von seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Fressen, abbringen. Genauso wie Kunar hingen ihm nun vergilbte Grashalme aus dem Maul. Kunar runzelte die Stirn und spuckte seinen Halm aus.
    Schweigend folgten sie dem Seebären, bis sie vom Küstenweg aus nicht mehr zu sehen waren. Kapitän Brage drehte sich zu den dreien um und betrachtete sie interessiert. Charlie räusperte sich.
    »Danke, dass Sie gekommen sind«, leitete sie das Gespräch ein. »Biarn sagte, dass wir Sie hier finden würden und

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