Die Erben Der Flamme
sein Eigentum. Die Szene erschien Brega noch heute leibhaftig vor Augen. Vrans Tränen in den Augenwinkeln, als der Magier hämisch grinsend seine neue Behausung bezogen hatte und seine Gedanken, ihn dafür zu e rwürgen. Doch geschahen jene Hausbesetzungen nicht selten in Ab’Nahrim.
Vran, Brega und Lee waren samt der anderen Familien hinausgeworfen worden. Daraufhin hatten sie sich von den Familien g etrennt und waren in das Obergeschoss von Otras Schmiede gezogen.
Brega zog das Eisen aus dem Bottich und legte es weg. Er verschaffte sich einen Überblick, was heute noch zu tun war.
»Brega!«
Der Schmied fuhr herum. Lee eilte am Tisch vorbei auf ihn zu. Wie immer schaute Brega zweimal hin, um sicherzustellen, dass diese junge Frau einmal das Mädchen gewesen war, welches hier vor ihm gesessen und mit Eisenfigürchen gespielt hatte. Wo war das unbezähmbare Haar geblieben, wo die Schnute, die er so geliebt hatte? Lee wirkte inzwischen unglaublich ernst. Bei ihrem Anblick flüsterte manch Zwergenhändler Dschungelelf, da seine Tochter angeblich die Anmut und die Grazie des legendären Volkes von Duskan besitzen sollte. Doch Brega hielt nicht viel vom Gerede der Zwerge - so wie von Zwergen allgemein.
Lee war vierzehn geworden und Brega schmerzte es, da sich der Zeitpunkt näherte, an dem sie ihn verlassen und ihr eigenes Leben mit einem Mann beginnen würde. Ihm graute allein die Vorstellung, dass irgendein Jüngling bei ihm aufkreuzen und um Lees Hand bitten würde. Doch der Tag rückte näher und Brega wusste, dass er sich innerlich darauf vorbereiten musste. Vor einigen Tagen hatte ihm bereits Vran gesagt, dass er akzeptieren müsse, dass Lee erwachsen wurde.
Die Flammen der Esse beschienen Lees Gesicht. Die leicht schräg stehenden Mandelaugen funkelten.
»Oralee, wie siehst du wieder aus?«, fragte er. »Dein Gesicht ist so schwarz wie dein Haar.«
»Oh, Brega. Nenn mich doch endlich so wie alle anderen auch«, sagte Lee eingeschnappt.
Brega lachte in sich hinein. Außer ihm nannte sie keiner bei vollem Namen. Er machte es auch nur, wenn er streng sein wollte. So wie jetzt. »Die Kapuzen an den Schutzmänteln sind nicht zur Zierde da.«
Brega betonte »Schutz« mit einer Anspielung auf Lees geöffneten Mantel und den vor Ruß starrenden Gewändern darunter. Lee betastete ihr Gesicht und den Hals. Brega entging nicht, wie sie überaus rasch den Kragen hochzog.
So leicht kriegst du den Schmutz nicht los , dachte er belustigt, doch zugleich fand er es befremdlich, dass ihm seine Tochter dabei nicht in die Augen sehen konnte.
Vran nannte es nutzlos, wenn man seinen Kindern in einer unterirdischen Zwergenstadt, umgeben von Lavaflüssen, rauchenden Maschinen, Fabriken und Werkstätten, beibringen wollte, mehr auf ihr Äußeres zu achten. Brega hatte noch nicht aufgegeben. Es ging ihm auch um etwas anderes. Ab’Nahrim blieb gefährlich, egal wie sehr Vran oder Lee ihm von Gegenteil überzeugen wollten. Dabei dachte Brega weniger an die Lava, die sich durch Ab’Nahrim zog, sondern vielmehr an das, was in der Luft lag und aus Belerock zu ihnen in die Tempelruinen hinüber wehte. Der Ruß der Schmieden, die Asche auf den Straßen, der Qualm der Öfen; all dies konnte eingeatmet werden und war nicht harmlos. Jeder, der außerhalb von Tempeln verkehrte, war dazu verpflichtet, zu seinem eigenen Schutz ein Gesichtstuch und Kapuze als auch einen Stoffmantel aus Lakami-Fasern zu tragen.
Die hellbraunen Lakami-Sträucher wuchsen in der Nähe von Lavaströmen. Ihre Feuer-und Hitzeresistenz suchte Ihresgleichen, sodass der Mantel aus Lakami den besten Schutz für ein Leben in den Tempelruinen bildete. Auch Brega hatte sich daran gewöhnt, Lakami wie eine zweite Haut zu tragen. Bei seiner Ankunft in Ab’Nahrim hatte er nicht an die wundervolle Wirkung glauben wollen, doch hatte er erlebt, was mit Ruinenbewohnern geschah, die sich gegen Lakami sträubten. Sie wurden mit der Zeit krank und gingen langsam zur Grunde. Lakami entfaltete seine Wirkung jedoch nur, wenn er dicht am Körper getragen wurde - und nicht lose hinab hing.
Brega senkte die Stimme. »Ich werde dir nicht jeden Tag sagen, wozu der Mantel gut ist und …«
»Ist doch egal wie ich aussehe!«, warf Lee dazwischen. »Sie haben ihn mitgenommen.«
Brega hielt verdutzt inne. Lee fluchte, wie es ein Zwerg nicht besser gekonnt hätte, und sprach weiter. »Ein Spürhund tauchte mit seinem Eisork im Unterricht auf. Sie haben Nandir einfach
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