Die Erben Der Flamme
verlogen.«
Brega fuhr es wie ein Hieb in die Magengrube. Ungläubig musterte er seine Tochter. Was hatte er bloß falsch gemacht? Ehe er sich seiner Worte klar werden konnte, war Brega an Lee heran und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Irgendwann werde ich es dir erklären.«
Brega schluckte. Was er auch Weiteres sagen wollte, es blieb ihm im Hals stecken. Erst jetzt erkannte er, dass etwas fehlte - etwas Bestimmtes, für das er vor vielen Jahren sein Wertvollstes opfern musste, um es zu erlangen. Brega wurde sich jetzt bewusst, warum Lee vorhin den Kragen so auffällig hochgezogen hatte.
»Wo ist dein Shako?«, flüsterte er. Sein Griff spannte sich an.
»Ich habe ihn versehentlich abgelegt«, erwiderte sie kleinlaut.
Der gehetzte Blick in Lees Augen ging Brega zu Herzen. Aber was sie getan hatte, war unentschuldbar. Es war ihm, als würden die quälenden Gedanken von Jahren zugleich auf ihn einprügeln.
»Lüg mich nicht an!« Brega schüttelte sie. »Wie konntest du ihn nur abnehmen? Was, wenn die Spürhunde dich bemerkt hätten? Sie hätten dich mitnehmen können!«
Zeit ihres Lebens hatte er Lee beschützt sowie ihre Tarnung aufrechterhalten. Nun konnte alles vergebens sein - wegen eines verdammten Halsrings.
»Brega, lass sie los.«
Schwer atmend blinzelte er, suchte nach der ruhigen Stimme, als ob er sich im Nebel seiner Angst vortasten musste. Vran stand an seiner Seite. Ihr Blick war auf seine Hände gerichtet, die immer noch auf Lees schmalen Schultern lagen.
Als hätte er sich verbrannt, ließ Brega Lee frei. »Es tut mir leid.«
»Ich hasse dich.« Unter Tränen wich seine Tochter zurück.
»Er hat es nicht so gemeint, Lee«, beschwichtigte Vran.
Lee riss ungestüm an ihrem Kragen und holte mit der anderen Hand den glanzlosen Eisenring aus ihrer Manteltasche hervor, wegen dem der ganze Ärger entstanden war.
»Da.« Sie legte sich sogleich den Shako an ihren Hals. Es klickte, als das Schloss des Rings einrastete. »Bist du nun z ufrieden, ja? Jetzt gehöre ich wieder dazu. Jetzt bin ich wieder ein Sklave, genauso wie du mich haben willst!«
»Lee, bitte.« Brega streckte eine Hand nach seiner Tochter aus.
Sie kam ihm zuvor, indem sie sich an den Tisch vorbeipresste und wegrannte.
Brega lief ihr hinterher. »Wo willst du hin?«
»Dorthin, wo du nicht bist!« Lee verschwand aus der Onyx-Halle.
»Warte …«
Eine Hand hielt Brega zurück. »Lass sie«, sagte Vran. »Sie beruhigt sich wieder.«
Widerwillig verharrte er auf der Stelle. »Ich weiß nicht, was sie vorhat.«
»Nein. Das weißt du nicht und du musst dich daran gewöhnen, es nicht zu wissen. Wie oft noch, Brega … Lee ist kein Kind mehr«, sagte Vran.
Er schwieg und senkte den Blick.
Sie legte eine Hand an seine Wange. »Lee hat sehr viel von deinem aufbrausenden Charakter. Und dass, obwohl sie nicht dein Kind ist.«
Bregas Augen weiteten sich. Er wich einen Schritt zurück. »Wie kannst du das wissen?«, keuchte er. »Nie habe ich all die Jahre … warum?«
Die Erkenntnis, dass seine Frau über all die Jahre Bescheid wusste, überforderte ihn.
»Denkst du, ich bin blind, alter Brummer? Ich habe euch damals in der Gasse nahe der Taverne aufgefunden. Bereits da wusste ich, dass du nicht ihr Vater bist - und dass nicht wegen dem Äußeren.« Vran schmunzelte, wurde jedoch gleich wieder ernst. »Ich spürte es. Nenn es die Intuition einer Hebamme.«
Vran gab Brega wieder das Lächeln, das er liebte, das er jetzt so sehr brauchte. Ihm fehlten die Worte.
»Ich wollte nie deine Vergangenheit wissen«, fuhr Vran fort. »Aber Lee verändert sich und ich sehe nun, ich muss alles e rfahren, um ihr helfen zu können. Nach der ganzen Zeit könntest du mir endlich verraten, vor was ihr damals geflohen seid.«
Vran wartete. Brega seufzte ergeben und setzte sich zu seiner Frau. Dann fing er an zu erzählen.
Kapitel 2
Lee befestigte ihr Gesichtstuch an der Lasche ihrer Kapuze. Der Rauch hing grauschwarz an der Höhlendecke von Ab’Nahrim. Trotz der Abgrenzung der Tempelruinen von Belerock durch das Tor der Unsterblichen Namen drang der Qualm der Zwergenwerkstätten unablässig in die Grotte hinein. Der Kristall am Großen Platz von Ab’Nahrim beleuchtete Geröll und Schutt der eingefallenen Tempelbauten. Das dämmrige Licht warf wirre Schattenfiguren. Es wirkte, als ob lebendige Wesen über Lees Weg huschten. Davon abgelenkt hatte sie nicht auf den Weg geachtet. Ihr Fuß versank in einem Aschehaufen, dunkler
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