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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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zumindest so, als wollten sie keines ihrer Worte verpassen.
    Alisa, die die Gedanken der beiden aufgefangen hatte, runzelte ein wenig ärgerlich die Stirn. » Ich fasse es euch so kurz wie möglich zusammen.«
    Fernand neigte mit einem Grinsen den Kopf. » Wie rücksichtsvoll. Wir haben zu danken.«
    Noch einmal kreuzten sie die Blicke, und Alisa merkte, wie es um die Mundwinkel der beiden zuckte. Rasch wandte sie sich dem aufgeschlagenen Buch in ihren Händen zu.
    » Vor dem Jahr 1739 gab es in England nur unbezahlte Friedensrichter, denen sogenannte Constables unterstanden, deren Aufgabe es war, Verbrecher zu verhaften und dem Friedensrichter in seinem Haus zur Verurteilung vorzuführen. Alle Männer der Gemeinde waren reihum dran. Man konnte sich aber auch einen Vertreter mieten.«
    » Das hat sicher ganz fantastisch funktioniert«, bemerkte Marie Luise sarkastisch. Zu Alisas Erstaunen musste sie zugehört haben.
    » Zumindest haben die Londoner nicht viel von ihnen gehalten. Sie gaben den Constables, die hier in der Stadt nachts ihren Dienst taten, den Spitznamen › Charlie ‹ und überschütteten sie mit Spott. Neben ihnen bildeten sich die Thief Takers – Diebesfänger– heraus. Jeder konnte sich selbst dazu ernennen, einen Verdächtigen stellen und vor den Friedensrichter bringen. Kam es zu einer Verurteilung, bekam der Thief Taker ein der Höhe der Strafe angemessenes Blutgeld.« Alisas Augen huschten über die nächste Seite.
    » Lass mich raten. Es gab so manchen › ehrenhaften ‹ Bürger, der Gefallen daran fand, seinen Lohn auf diese Weise aufzubessern«, vermutete Fernand.
    Alisa nickte. » Ja, es wurde ein Sport, junge Menschen zu einer Straftat zu verführen und sie dann vor den Richter zu schleppen, um die Prämie zu kassieren. Die Folge war, dass sich immer mehr Constables und Thief Takers mit den Verbrechern zusammentaten und die Beute teilten. Es war leicht, der Justiz ein passendes Bauernopfer zu präsentieren. Der berühmteste Diebesfänger war Jonathan Wild. Er soll über einhundert Straßenräuber an den Galgen gebracht haben. Er unterhielt ein Büro in London und nannte ein feudales Landhaus sein eigen. Seine Spezialität war es, Diebesgut wiederzubeschaffen, wofür er sich gut entlohnen ließ.«
    » Ach, und er war nicht zufällig mit einigen Dieben und Hehlern bekannt, die ihm dabei halfen?«, warf Fernand ein.
    Alisa nickte. » Ja, man sagt, er war der Erste, der die Londoner Unterwelt organisierte. Immerhin hat man seinem Treiben nach vielen Jahren ein Ende gesetzt und ihn in Tyburn hinrichten lassen.«
    Tammo nickte wissend. » Das ist an der Ecke des Hyde Park , wo heute der Marble Arch steht. Dort waren wir neulich. Es war enttäuschend. Von der Hinrichtungsstätte ist nichts mehr zu sehen.« Seine Schwester versuchte sich an einem strafenden Blick. » Was denn? Und nun komm endlich zur Sache. Was interessieren uns die alten Zeiten? Unser Sweeney hat mehr als fünfzig Jahre später gemordet.«
    Alisa las weiter und blätterte noch ein paar Mal um, ehe sie weitersprach.
    » Also, hört zu: Aus dem Fall Jonathan Wild hat man 1739 Konsequenzen gezogen und › öffentliche Dienststellen der Polizeirichter ‹ geschaffen, wie es hier heißt. Das bedeutet, die Friedensrichter urteilten die Angeklagten nicht mehr daheim ab. Bald war das bekannteste Polizeigericht jenes in der Bow Street , was an seinem Gründer Oberst Thomas de Veil lag, und an seinem Nachfolger, dem Dichter Henry Fielding.«
    » Dichter? Habe ich das richtig gehört?«, hakte Tammo nach. » Die Londoner haben ihre Verbrechensbekämpfung in die Hände eines Dichters gelegt?«
    Alisa fuhr mit dem Finger die Zeile entlang. » Ja, so steht es hier. Ich habe es nicht falsch übersetzt.«
    Tammo tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. » Die spinnen, die Londoner.« Alisa nickte und fuhr fort.
    » Jedenfalls schuf dieser Fielding aus seiner Konstabler-Fahndungstruppe eine Detektivabteilung. Fünfzehn Männer, die man die Bow Street Runner nannte. Er führte sogenannte Fahndungslisten ein und hatte anscheinend großen Erfolg. Allerdings bekamen die Runner immer noch eine Erfolgsprämie, was die Missstände von früher wieder aufleben ließ.«
    » War’s das? Meinst du, wir müssen in die Bow Street , um die Akte über Sweeney zu finden?«, hakte Fernand nach, aber Alisa schien ihm nicht zuzuhören.
    » Es ist erstaunlich. Hört nur: Zu Beginn unseres Jahrhunderts war London die größte Stadt der Welt und auch die mit

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