Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
gegründet, deren Detektive von nun an in Zivilkleidern ermittelten.«
» Und die nach ihrer Hinterhofadresse benannt wurden?«, warf Tammo ungläubig ein.
Alisa nickte. » Ja, so in der Art.«
Fernand und Tammo sahen einander an und schüttelten dann einmütig die Köpfe. » Die spinnen, die Londoner«, wiederholte Tammo.
Alisa klappte das Buch zu. » Gut, dann wissen wir das jetzt auch. Zu Scotland Yard müssen wir jedenfalls nicht, da unser Fall vor dem Gründungsdatum lag. Ich denke, die größten Chancen haben wir in der Bow Street– wenn diese alten Akten dort noch immer aufbewahrt werden.«
Tammo stieß einen dramatischen Seufzer aus. » Gut, wühlen wir uns also durch staubige Akten. Wobei ich es eigentlich nicht einsehe. Haben wir unseren Fall nicht bereits vollständig gelöst?«
» Die anderen haben auch Unterlagen gebracht. Komm, lass uns wenigstens nachsehen«, drängte seine Schwester. » Wenn wir heute Nacht nichts finden, lassen wir es sein. Versprochen.«
» Ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern!«
Der Tower of London
Da alle Erben ihre Aufgaben gelöst hatten, verbrachten sie die nächsten beiden Nächte damit zu üben, sich in Nebel aufzulösen und– was noch schwieriger war– den Ruf der Sonne zu überwinden. Luciano wunderte sich schon kaum mehr, dass Ivy sich zurückzog und den Rest der Nacht verschwunden blieb. Es erstaunte ihn allerdings, dass Seymour während der Übungen bei ihnen blieb. Auch Clarissa kam mit in den Keller, wurde aber wenig später von Lord Byron abgeholt und folgte ihm, nach einem kurzen Blick zu Luciano. Es fiel ihm schwer, doch er unterdrückte seine aufwallende Eifersucht und gab sich beherrscht. Er schaffte es sogar, ihr eine vergnügliche Nacht zu wünschen. Mit einem Lächeln hakte sie sich bei Lord Byron unter und ließ sich von ihm wer weiß wohin entführen. Luciano knirschte mit den Zähnen, schaffte es aber, so etwas wie ein Lächeln zu bewahren, bis sie fort waren. Er spürte, dass Leo ihn von der Seite ansah.
» Was ist?«, fuhr er ihn an. » Was starrst du mich so an?«
» Ich habe mich nur gefragt, was du da gerade tust.«
» Ich übe mich in Toleranz!«, fauchte Luciano.
Leo nickte langsam. » Aha, so nennt man das. Ich dachte, du versuchst gerade deine Liebste an einen anderen loszuwerden. Da hättest du sicher eine gute Wahl getroffen. Der Lord verachtet die Frauen zwar zutiefst, dennoch hat er sie nie verschmäht und ist einer Affäre mit einer Schönheit niemals abgeneigt.«
» Das weiß ich auch, aber wenn ich will, dass Clarissa freiwillig zu mir zurückkommt, dann muss ich sie erst gehen lassen.«
» Sagt wer? Das ist doch sicher nicht auf deinem Mist gewachsen?«
» Ivy«, erwiderte Luciano nur düster. » Sie sagte mir, ich müsse mich entscheiden.«
» Und du hast Toleranz statt Tyrannei gewählt?«
» Ja. Was dagegen?«
Leo wiegte den Kopf hin und her. » Nein. Mach, was du für richtig hältst. Ich bin ja ganz offensichtlich nicht der beste Ratgeber, was Beziehungen zu Vampirinnen angeht.«
» Stimmt«, hieb Luciano in die Kerbe. » Erst hast du es mit Ivy vermasselt, dann mit Alisa.«
» Dabei weiß ich noch nicht einmal, was ich bei Alisa falsch gemacht hätte«, gestand Leo erstaunlich offen.
» Bei Ivy aber schon«, hakte Luciano nach. Wann traf man den Dracas schon in solch einer selbstkritischen Stimmung an? Das musste man ausnutzen.
Leo nickte nachdenklich. » Ja, bei Ivy schon.«
» Und deshalb versuchst du es wieder bei ihr?«
Leo sah ihn perplex an. » Ich? Bei Ivy? Wie kommst du auf den Blödsinn?«
» Ich hatte so den Eindruck. Und vielleicht nicht nur ich.«
» Falls du damit Alisa meinst, dann soll sie das ruhig denken, nachdem sie mich so eiskalt für Malcolm abserviert hat.« Seine Augen blitzten, und Luciano ahnte, wie verletzt er war. Einen Augenblick sah er tiefer, als er je bei dem Dracas geblickt hatte. Dann verschloss sich die Miene und die alte Überheblichkeit war wiederhergestellt. » Mach schon, konzentrier dich, Luciano. Du bist dran. Wenn du dich nicht anstrengst, wirst du es niemals schaffen und musst bei unserer nächsten Übung zurückbleiben.«
Luciano nickte und trat an das Gitter.
Ja, Leo war verletzt. Hoffentlich nicht nur in seinem Stolz. Vielleicht hatte sich Leo zum ersten Mal weit hinausgewagt und seine Gefühle und sein wahres Ich preisgegeben. Er hatte es riskiert, verletzt zu werden, und genau das, wovor er sich mit seiner Arroganz immer zu schützen versucht hatte,
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