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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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den drei jungen Vyrad hatte noch keiner von ihnen je zuvor einen Gerichtssaal betreten.
    Der mit dunklem Holz vertäfelte Raum strahlte eine ehrwürdige, aber auch düstere Atmosphäre aus. In der Mitte erhob sich ein von einem hölzernen Geländer umgebenes Podest mit einem Stuhl, auf dem der Angeklagte für alle gut sichtbar Platz nehmen würde. Jenseits der Zuschauerbänke an der gegenüberliegenden Wand hinter der Schranke, die man The Bar nannte, befand sich– ebenfalls ein wenig erhöht– der Platz der Richter. Links wurden die Zeugen vernommen. Dem Gericht gegenüber saßen auf der einen Seite die Vertreter der Anklage und auf der anderen die Verteidiger. An der rechten Wand nahmen die zwölf Geschworenen Platz. Ein Protokollführer würde alles mitschreiben, was im Gerichtssaal ausgesagt wurde.
    Lord Milton und seine Barrister hatten in der ersten Reihe hinter den Verteidigern Platz genommen. Vielleicht wollten sie damit demonstrieren, auf welcher Seite sie standen? Endlich kehrte Ruhe ein. Die Zuschauer, unter denen sich auch einige Journalisten befanden, wurden aufgefordert, sich zu erheben und das hohe Gericht zu begrüßen. Der Richter in seiner roten Robe und der grauen Perücke trat ein, deren strenge Lockenpracht ihm bis über die Schultern herabhing. Seine beiden Beisitzer folgten. Erst als sich die drei Männer auf den Stühlen mit den hohen, geschnitzten Rückenlehnen niedergelassen hatten, durften sich auch die anderen Anwesenden wieder setzen.
    Der Angeklagte wurde mit gefesselten Händen von zwei Uniformierten hereingeführt und zu seinem Platz geleitet, der fast wie ein Käfig wirkte. Ja, ein wenig erinnerte das Podest an die Tiergehege einer Menagerie, wo die Exoten der gaffenden Menge dargeboten wurden.
    Alisa betrachte den Angeklagten verblüfft. Sie hatte gelesen, dass er ein deutschstämmiger Jude war, aber über sein Aussehen war nichts vermerkt gewesen. Nun aber sprang ihr der Widerspruch zu den Zeugenaussagen, die sie gelesen hatte, geradezu ins Auge. Oscar Slater musste bereits vierzig Jahre alt sein, war mittelgroß, breitschultrig und beleibt, und er trug einen auffälligen schwarzen Schnurrbart unter einer sehr geraden Adlernase. Obgleich er bereits seit zwanzig Jahren in England lebte, war er ein dunkler Typ, dem man auf den ersten Blick ansah, dass er Ausländer war.
    In den Akten war vermerkt, dass Helen Lambie, das Hausmädchen, und der Nachbar ihn gesehen hatten. Zusammen waren sie die Treppe hinaufgestiegen und hatten den mutmaßlichen Mörder noch in der Wohnung des Opfers angetroffen, wo er an ihnen vorbei und dann aus dem Haus gestürmt war.
    Zuerst hatte Helen Lambie erklärt, den Mann nicht identifizieren zu können. Auch Mr Adams ein Stock tiefer war keine große Hilfe, denn er hatte seine Brille vergessen. Allerdings bezeichnete er ihn als einen sehr vornehm aussehenden Mann, den er in diesem Moment für einen Verwandten von Miss Gilchrist hielt. Die Polizei veröffentlichte trotz der vagen Aussagen eine Suchmeldung nach einem Mann zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren, ungefähr einen Meter und siebzig groß, glatt rasiert, schlank mit einem hellgrauen Mantel und einer Tuchmütze.
    Draußen auf der Straße hatte das kleine Laufmädchen Mary Barrowman einen Mann gesehen, der um die dreißig Jahre alt sein sollte, groß, schlank, glatt rasiert mit einer schiefen Nase, der einen hellbraunen Mantel und einen runden Tweedhut trug. Offensichtlich zwei verschiedene Männer– der eine, der beim Verlassen der Wohnung gesehen worden war, der andere, wie er die Stufen des Hauses herunterlief und davonrannte.
    Obgleich zuerst vermerkt worden war, man dürfe diese beiden Männer nicht verwechseln, war später in den Akten immer nur noch von einem gesuchten Mörder die Rede, den die drei Zeugen gesehen haben wollten.
    Auf den eher dicken, vierzigjährigen und schnurrbärtigen Oscar Slater passte keine der Beschreibungen.
    Der Crown Prosecutor wurde vom Gericht aufgefordert, die Fakten vorzutragen. Der gewichtige Staatsanwalt erhob sich, strich die glänzende Seidenrobe über seinem hervorquellenden Bauch glatt und räusperte sich vernehmlich. Dann begann er den Tatverlauf zu beschreiben. Er schilderte mit dramatischer Stimme, wie der Angeklagte in die Wohnung der armen Miss Gilchrist eingedrungen war, die alte, hilflose Dame aus niederer Habgier mit seinem mitgebrachten Hammer erschlagen hatte– den man dann bei seiner Festnahme in seinem Koffer fand– und ihr unter

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