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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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seinen schwarzen Umhang und die graue Lockenperücke, auch wenn er nicht als Verteidiger des Angeklagten bestellt war. Dennoch würde er nicht bei den Erben unter den normalen Zuschauern sitzen, sondern mit einigen anderen Barristern weiter vorn.
    Obgleich die Erben in den vergangenen Monaten häufig die Fleet Street entlanggegangen waren, sahen sie sich heute staunend um. Es herrschte noch mehr Verkehr und ein bunter Trubel, der sie fast schwindelig machte. Oder lag das am ungewohnten Tageslicht, das ihrer Haut den Glanz nahm und sie stumpf werden ließ? Geschah so etwas Ähnliches auch mit ihren Gedanken?
    Alisa erkundigte sich bei Vincent, während sie den Ludgate Circus überquerten.
    Der kleine Vampir wiegte den Kopf hin und her. » Ja, so ganz von der Hand weisen lässt sich das nicht. Unsere Glieder werden schwerfälliger und unsere Sinne sind getrübt, obgleich die Farbenpracht auf uns einstürmt. Vielleicht ist das zu viel für unsere Augen und lenkt uns von unseren schärferen Sinnen ab. Unsere Kräfte lassen bei Tageslicht deutlich nach, und ich denke, auch unser Geist ist nicht mehr zu dem fähig, was er uns nachts eingibt. Es ist also stets Vorsicht geboten, wenn sich ein Vampir am Tage hinauswagt. Nicht nur die Sonne selbst ist gefährlich für uns, auch die Menschen sollten wir zu dieser Tageszeit nicht außer Acht lassen, da wir unsere Überlegenheit ihnen gegenüber ein Stück weit einbüßen.«
    Sie folgten dem Ludgate Hill ein Stück und bogen dann in die Straße ein, wo sich der Central Criminal Court, den alle nur Old Bailey nannten, neben dem Tor und dem Newgate-Gefängnis erhob.
    » Auch wenn es von außen nicht so aussieht, ist das Newgate-Gefängnis heutzutage fast ein angenehmer Ort«, erklärte Vincent und wies auf das imposante Gebäude mit einer abschreckenden Fassade aus roh behauenem Mauerwerk.
    » Früher waren die Zellen des Kerkers über und unter der Erde vollgestopft, und je tiefer man hinabstieg, desto näher glaubte man sich der Hölle, aus der es kein Zurück gibt. Die Luft war geschwängert von Gestank und allerlei Pestilenzen…«
    » Ja, das kennen wir vom House of Correction«, unterbrach ihn Luciano.
    » Stellt es euch vor wie dort, vielleicht sogar noch schlimmer«, fuhr Vincent fort. » Das erste Gefängnis über dem Stadttor stammte bereits aus dem Mittelalter. Im achtzehnten Jahrhundert wurde es dann abgerissen und durch das wesentlich weitläufigere Gebäude ersetzt, das ihr hier seht.
    Kurz nach seiner Fertigstellung wurde das Gefängnis bei den Gordon-Unruhen in Brand gesteckt. Man sagt, dass dreihundert der Gefangenen dabei entkamen. Viele, vor allem in den tiefer gelegenen Verliesen, sind allerdings erstickt oder verbrannt. Natürlich wurde Newgate wieder aufgebaut und dann der Galgen von Tyburn hierher verlegt. Es war immer ein Fest, wenn es eine Hinrichtung gab, und die Leute kamen schon in den frühen Morgenstunden, um sich einen guten Platz zu sichern. Dort drüben im Magpie and Stump wurde ein Execution Breakfast serviert, um sich die Zeit bis acht Uhr zu vertreiben, zu der normalerweise das Aufhängen stattfand. Der Verurteilte wurde durch diese schmale Gasse zwischen dem Gefängnis und dem Gerichtshof, die man Dead Man’s Walk nannte, heraus zum Schafott geführt und der Körper nachher irgendwo dort verbuddelt. Der Andrang war so groß, dass irgendwann Anfang des Jahrhunderts fast dreißig der Zuschauer zu Tode gequetscht wurden. Danach hat man einen Tunnel zwischen Gefängnis und St. Sepulchre, der Kirche dort drüben in der Giltspur Street, gebaut, wo ein Priester dem Verurteilten die Beichte abnahm. Schließlich ging man dazu über, die Hinrichtungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Gefängnishof durchzuführen, was nicht alle Londoner erfreute. Sie fühlten sich einer Attraktion beraubt!«
    Die Erben betraten mit ihren Begleitern hinter den würdig dreinblickenden Barristern das Gerichtsgebäude und ließen sich zum älteren der beiden Gerichtssäle führen, in dem der Prozess heute stattfinden würde. Zum Glück für die Vampire verfügten die Säle heutzutage über ein Dach. Das war nicht immer so gewesen. Früher zog man es vor, unter freiem Himmel Recht zu sprechen, wo der Gestank der vielen Menschen besser entweichen konnte und man sich vor Ansteckungen aller Art sicherer fühlte.
    Die Vyrad führten ihre Schützlinge zu den Zuschauerbänken und geboten ihnen, sich zu setzen und ruhig zu verhalten. Die Erben sahen sich neugierig um. Außer

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