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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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kurzsichtig zu sein und seine Brille nicht bei sich gehabt zu haben.
    » Miss Lambie, hatten Sie, als Sie den Mann in der Wohnung Ihrer Herrin erblickten, bereits den Verdacht, dass etwas Schlimmes geschehen war?«
    Das Mädchen zögerte. » Nein, nicht sofort. Die Tür war ja nicht aufgebrochen oder so.«
    » Heißt das, Miss Gilchrist muss ihren Mörder selbst eingelassen haben?«
    » Ja, vermutlich.«
    » War sie nicht eine sehr misstrauische Dame? Hatte sie nicht aus Angst vor einem Überfall zusätzliche Schlösser anbringen lassen?«
    » Ja, schon«, gab das Mädchen zu.
    » Kann man, wenn man vor die Tür tritt, von oben sehen, wer die Treppe heraufkommt?« Wieder nickte Helen Lambie.
    » Was den Schluss nahelegt, dass Miss Gilchrist ihren Mörder kannte!«, fügte der Anwalt hinzu, worauf die Anklage » Einspruch!«, rief. » Das ist eine Mutmaßung.«
    » Ich glaube, nicht nur die Herrin kannte den Mann«, sagte Alisa. » Warum sonst hat das Dienstmädchen gar keinen Verdacht geschöpft, als sie den Mann in der Wohnung vorfand?«
    » Aber warum sagt sie dann, dass es Slater war?«, wunderte sich Tammo, doch Helen Lambie gab in ihrer Naivität die Antwort selbst, denn auch der Anwalt der Verteidigung wollte noch einmal wissen, ob sie sich wirklich sicher sei. Schließlich habe sie nach einer ersten Vernehmung erklärt, den Mann nicht identifizieren zu können.
    » Doch ich bin mir sicher. Die Beamten von Scotland Yard haben mir und Mary vorher immer wieder die Fotografie des Mannes gezeigt, sodass wir keinen Zweifel hegten, als wir ihm das erste Mal nach seiner Verhaftung gegenüberstanden.«
    Tammo barg das Gesicht in den Händen und stöhnte. » Und das nennt man dann unbefangene Zeugenbefragung!«
    Alisa schüttelte fassungslos den Kopf. » Fällt denn außer uns niemandem auf, was für eine Farce hier aufgeführt wird? Schon jetzt müssten sie sich bei Mr Slater entschuldigen und ihn als freien Mann hinausgeleiten. Sie haben rein gar nichts gegen ihn in der Hand!«
    Danach wurde das vierzehnjährige Laufmädchen Mary Barrowman aufgerufen. Auch sie deutete sofort auf den Angeklagten, als der Staatsanwalt ihr die Frage stellte, ob sie jenen Mann hier sähe, der in der Mordnacht die Stufen des Hauses heruntergekommen war.
    Der Verteidiger stöhnte, dann wandte er sich an das Mädchen. » Beschreiben Sie den Abend. Es war gegen sieben Uhr, nicht wahr?«
    » Es war dunkel und es regnete. Der Mann kam die Stufen von Queens Terrace 15 heruntergerannt und stieß mit mir zusammen. Dann lief er in Richtung West Cumberland Street davon.«
    » Ist es nicht richtig, dass die Straße dort sehr schlecht beleuchtet ist?«
    Mary nickte.
    » Und haben Sie nicht gesagt, der Mann trug einen braunen Mantel und einen runden Tweedhut?«
    Wieder nickte sie.
    » Wie seltsam, dass er oben in der Wohnung von Miss Gilchrist noch einen hellgrauen Mantel und eine dunkle Tuchmütze trug. Unser Herr Angeklagter muss wohl im Treppenhaus die Gelegenheit gehabt haben, sich umzuziehen«, fügte der Verteidiger sarkastisch hinzu, ehe er sich wieder setzte. » Keine weiteren Fragen.«
    Doch das Verfahren ging weiter. Alisa hatte zunehmend Schwierigkeiten, den Stimmen zu lauschen, deren Worte zu einem an- und abschwellenden Rauschen verschwammen. Auch die beiden Pyras vor ihr kämpften, und Tammo sackte gar einmal in sich zusammen und wurde energisch von dem Vyrad an seiner Seite wachgerüttelt. Alisa erschrak, als Lucianos Kopf gegen ihre Schulter sank. Selbst Vincent schien Schwierigkeiten zu haben, ihn wieder wach zu bekommen. Endlich schwang der Richter den Hammer, und der Klang, mit der er die Vertagung des Verfahrens verkündete, war wie eine Erlösung. Alisa konnte sich später kaum mehr an ihren Rückweg zum Temple erinnern, doch immerhin schafften es die Vyrad, alle ihre Schützlinge unversehrt zu ihren Särgen zurückzubringen, ohne Aufsehen zu erregen.
    *
    Während sich die Erben unter der Aufsicht von Lord Milton und einigen seiner Barrister noch einmal zum Central Criminal Court aufmachten, blieb Ivy wieder einmal im Temple zurück. Seymour sah ihnen nach und wandte sich dann zu Ivy um.
    Darf ich dich heute begleiten?
    Sie hob nachlässig die Schultern. » Das lohnt sich nicht, ich habe nichts Spannendes vor.«
    Und doch gehst du nicht mit den anderen.
    Seymour glaubte einen Zug von Verachtung über ihre Miene huschen zu sehen. » Was interessieren mich die Unzulänglichkeiten der Menschen? Wie sie sich betrügen und aus Habgier

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