Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
anderem eine Brillantbrosche raubte, die er dann versetzte, ehe er sich mit seiner Freundin auf die Flucht nach Liverpool begab, von wo aus er sich nach Amerika abzusetzen gedachte.
Der Verteidiger, ein unscheinbarer junger Mann, sprang einige Male auf und rief: » Einspruch, Euer Ehren!«, wobei der Richter meist grimmig dreinsah und » Abgelehnt!«, rief.
Tammo drehte sich zu seiner Schwester um. » Ich dachte, Scotland Yard hat herausgefunden, dass diese Brosche, die Slater versetzt hat, gar nicht mit der übereinstimmte, die der Ermordeten gestohlen wurde.«
Alisa nickte. » Ja, und außerdem hat er sie bereits einen Monat vor dem Mord versetzt. Das dürften sie als Beweis gar nicht anführen.«
» Und den Hammer auch nicht«, fügte Mervyn an. » Der Arzt konnte nicht bestätigen, dass er zu der Wunde passte. Außerdem war er vollkommen sauber. Ich glaube nicht, dass man das Blut so gründlich hätte abwaschen können. Schade, dass wir das Beweisstück nicht vorliegen hatten. Unsere Witterung hätte uns verraten, ob der Hammer mit Menschenblut in Berührung gekommen ist.«
Sie schwiegen, denn gerade wurden Dr. Glaister und danach sein Kollege Dr. Galt in den Zeugenstand gerufen. Es waren die beiden Ärzte, die die Obduktion durchgeführt hatten. Merkwürdigerweise tauchte der Arzt, der an den Tatort gerufen worden war und die Tote vor Ort untersucht hatte, nicht auf der Zeugenliste auf.
Der Staatsanwalt legte den neben anderem Werkzeug im Gepäck des Angeklagten gefundenen Hammer als Beweisstück vor und ließ ihn von den Geschworenen begutachten. Dann wandte er sich an den Zeugen.
» Dr. Glaister. Sie haben die Tote untersucht. Könnte dieser Hammer die Mordwaffe sein?«
Der Arzt wog den Hammer in der Hand. » Na ja, Miss Gilchrists Schädel war völlig zertrümmert. Ich denke mal, wenn man vierzig bis sechzig Schläge mit solch einem Hammer ausführt, könnte man eine solche Zerstörung anrichten.«
» Sechzig Schläge! Das müsst ihr euch mal vorstellen«, wiederholte Joanne leise. » Was der Mörder in zehn Minuten alles hingekriegt hat! Und dann hat er auch noch die versteckten Schmuckstücke gefunden und ist an der Lambie und dem Nachbarn einfach vorbeispaziert!«
Der Verteidiger erhob sich. » Hätten sie angesichts der schweren Verletzungen eine solche Waffe erwartet?«, fragte er den Zeugen. Der schüttelte den Kopf. » Nein, ich hätte eine schwerere Waffe vermutet.«
Auch die von der Verteidigung berufenen medizinischen Experten hielten den Hammer als Waffe für unwahrscheinlich. Sie tippten eher auf einen Schürhaken oder ein Brecheisen.
» Lord Milton war in der Asservatenkammer«, verriet Vincent. » Der Hammer ist tatsächlich sauber und ganz sicher nicht die Mordwaffe.«
Überhaupt waren auch an keinem Kleidungsstück in Oscar Slaters Gepäck Blutspuren gefunden worden.
Helen Lambie wurde als Zeugin aufgerufen. Sie erklärte, dass sie seit drei Jahren die Wohnung mit Miss Gilchrist geteilt und ihr als Dienstmädchen gedient habe. Der Ankläger war wieder an der Reihe. Er trat vor den Zeugenstand, sah das Mädchen streng an und deutete dann mit einer ausholenden Geste auf Oscar Slater.
» Miss Lambie, ist es nicht so, dass sie am Abend der Tat diesen Mann aus der Wohnung ihrer Herrin haben kommen sehen?«
Helen Lambie straffte sich. » Ja, das ist er. Da bin ich mir ganz sicher.«
» Einspruch! Der Herr Staatsanwalt beeinflusst die Zeugin!«
» Stattgegeben.«
Der Ankläger rollte mit den Augen und rang seine roten, fleischigen Hände. » Nun gut, Herr Kollege, dann lassen Sie es mich anders formulieren. Sitzt der Mann, den Sie aus Miss Gilchrists Schlafzimmer haben kommen sehen, hier im Gerichtssaal?«
Helen Lambie deutete auf den Angeklagten. » Das ist er. Das wird Mr Adams bestätigen. Ich kam mit ihm die Treppe hoch, denn er hatte Geräusche gehört, als würde etwas fallen oder Feuerholz gehackt werden. Die Tür war versperrt, ich öffnete mit meinen Schlüsseln, und so traten wir ein. Dieser Mann kam aus dem Schlafzimmer, drängte sich an uns vorbei und lief die Treppe hinunter. Ich ging erst in die Küche und dann ins Esszimmer und fand dort die arme Miss Gilchrist tot in ihrem Blut liegen. Als ich schrie, eilte Mr Adams– der im Flur geblieben war– zu mir.«
Mit zufriedener Miene setzte sich der Staatsanwalt und überließ die Zeugin dem Anwalt der Verteidigung. Der erinnerte die Anwesenden, dass Mr Adams an jenem Abend die Polizei darauf hingewiesen habe,
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