Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
stehen. Vielleicht witterte sie, ob sich jemand in der Kirche befand, oder überlegte, wie sie die Tür öffnen konnte. Alisa würde es mit ihrem Satz an Einbruchswerkzeug sicher gelingen.
Doch solch triviales Menschenzeug benötigte Ivy nicht, um in die Kirche zu gelangen. Das hätte er sich denken können, so oft, wie sie ihn mit ihren Fähigkeiten schon in Erstaunen versetzt hatte. Vor allem, wie schnell sie Neues erlernte, ja, geradezu in sich aufsog, während sich die Erben Nacht für Nacht mit ihren Übungen abmühten. Nun ja, die Erben waren auch noch jung. Kaum ein paar Jahre, im Gegensatz zu dem Jahrhundert, das er und Ivy bereits durch die Welt streiften.
Während der Werwolf über all das nachdachte, ließ er Ivy nicht aus den Augen. Was sie nun wieder vorhatte? Plötzlich sah er, wie Ivys Konturen verwischten, und schon war sie verschwunden. Nur ein Hauch von Nebel zog unter dem Türspalt hindurch.
Seymour schüttelte den Kopf. Erstaunlich. So schnell hatte Ivy also auch diese Fähigkeit der Vyrad übernommen. Es ärgerte ihn, dass er ihr auf diese Weise nicht folgen konnte. Ihm wäre Alisas Werkzeug lieber gewesen. Eine Tür, die geöffnet wurde, und durch die er hätte schlüpfen können. Für einen Moment stieg Zorn in ihm auf, und er hätte sich am liebsten gegen die Tür geworfen, um sie aus den Angeln zu schlagen. Man durfte die Kraft eines Werwolfes nicht unterschätzen, doch der Lärm, der dabei entstehen würde, hätte vermutlich unangenehme Folgen. Zumindest würden einige Vyrad angelaufen kommen, was weder ihm noch Ivy recht sein konnte. Und vermutlich war es auch nicht in ihrem Sinn, wenn er für jeden sichtbar vor dem Tor verharrte. Also zog er sich über den Hof zurück und suchte sich eine Ecke, in der er nicht so leicht entdeckt werden konnte, von der aus er aber beide Türen im Auge hatte, die in die Kirche führten.
Er musste nicht lange warten, da konnte er sich bereits zu seiner Vorsicht beglückwünschen. Es kam jemand. Ja, da näherte sich eine Gestalt vom Pump Court her, deren unhörbarer Schritt sie als Vampir auswies. Genauer gesagt als Vampirin. Und sie war ihm wohl bekannt. Seymour erwog, sein Versteck zu verlassen und sich ihr anzuschließen, entschied dann aber, erst zu beobachten, was sie so alleine hier vorhatte. Doch nicht etwa das Gleiche wie Ivy? Und gar aus demselben Grund, den er immer noch nicht kannte?
Seine Augen folgten der Vampirin, bis sie tatsächlich vor dem verschlossenen Tor zur Templerkirche stehen blieb. Sie zögerte und sah sich verstohlen um. Aha, auch sie hatte vor, etwas zu tun, was die Vyrad nicht schätzten und nicht erfahren sollten.
*
Alisa schlenderte über den Hof. Leo und die anderen hatten sich für den Rest der Nacht zum Üben in den Keller verzogen. Zu gern hätte sie gewusst, was sie dort unten trieben, doch sie hütete sich, auch nur in die Nähe des Kellers zu kommen! Lieber würde sie sich die Zunge abbeißen, als Leo zu fragen oder gar von ihm beim Spionieren erwischt zu werden. Nein, es war wohl besser, wenn sie sich von ihm fernhielt. Sie musste den Schmerz nicht noch vergrößern, indem sie sich seinem eisigen Blick aussetzte oder zusah, wie er mit Ivy turtelte.
Bei dem Gedanken daran fühlte sich Alisa so schlecht, dass sie schnell versuchte, nicht mehr an Leo zu denken. Sie überlegte, was die anderen aus ihrer Gruppe jetzt taten, wo das Dinner vorüber war. Alisa hätte nichts lieber gemacht, als weiterzutrainieren– an andere Dinge, die sie noch lieber tun wollte, erlaubte sie sich nicht zu denken–, aber Tammo und Fernand hatten Einspruch erhoben.
» Nach diesen tödlich langweiligen Vorträgen in der Halle müssen wir uns erst einmal erholen«, sagte Tammo bestimmt und Fernand nickte zustimmend.
» Alisa, das geht sonst über unsere Kräfte«, bestätigte der Pyras. » Wir müssen erst unseren Kopf auslüften, dann können wir uns wieder treffen und von mir aus in der letzten Stunde vor Sonnenaufgang noch ein wenig üben.«
Marie Luise war in diesem Punkt natürlich auch keine Hilfe. Sie schwieg sich aus und begnügte sich damit, den anderen eine abweisende Miene zu zeigen. Nicht einmal Malcolm sprach ein Machtwort. Vielleicht war das auch nicht seine Aufgabe.
Und schon waren die beiden Freunde verschwunden, um sich irgendwo in London herumzutreiben und wer weiß was anzustellen. Marie Luise wandte sich ab und trippelte in ihrem engen Rock davon.
Alisa sah Malcolm fragend an. » Was machen wir bis dahin?«
Er wand
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