Die Erben der Schöpfung
genügend Kunden, um drei Fonds mit unterschiedlicher Risikoverteilung und Gesamteinlagen von über dreihundert Millionen Dollar aufzubauen.
Damit verdiente er sich eine goldene Nase, und obwohl der größte Teil seines Reichtums in riskanten Anlagen steckte, hatte er genug Bargeld flüssig, um einen weit aufwendigeren Lebensstil zu pflegen, als er ihn sich in seiner Zeit bei Goldman Sachs hatte leisten können.
Seine veränderten Lebensumstände machten ihn anmaßend und aggressiv und lösten eine Sucht nach Reichtum aus, die unstillbar und verzehrend zugleich war. Bis heute fühlte er sich trotz seiner Personalprobleme und der ständigen Drohung eines Verlustgeschäfts wie der Größte. Seine Fonds hatten in den letzten zwei Jahren den Biotechnologie-Index der Nasdaq um fünf Prozent übertroffen, und Nathan wusste, dass Glück dabei die geringste Rolle gespielt hatte. Doch das Blatt würde sich wenden.
Während er nun am North Street Beach vorbeifuhr und das blaue Wasser des Lake Michigan zu seiner Linken betrachtete, schaltete er das Satellitenradio ein. Sofort war er ganz Ohr.
»Die bei der letzten Zusammenkunft des Federal Open Market Committee erfolgte Zinssteigerung um ein Viertelprozent«, trug eine weibliche Stimme vor, »könnte eine weitere unerwartete Konsequenz haben. Genomic Engineering, eine der wenigen Firmen, die sich noch auf die medizinische Stammzellenforschung konzentrieren, erklärte gestern, den Betrieb einstellen zu wollen. Für die Firma, deren Rentabilitätsaussichten bestenfalls in ferner Zukunft bestehen, könnte die Anhebung des Zinssatzes der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Der Zusammenbruch von Genomic Engineering ist ein schlechtes Omen für die gesamte Stammzellenforschungsbranche und insbesondere für BrainStem Therapeutics, eine Tochtergesellschaft von Soliton Industries, die auch noch keine Gewinnprognosen fürs nächste Quartal abgegeben hat.
Die finanziellen Schwierigkeiten der großen Firmen für Stammzellenforschung bedeuten eine unerwartete Wende gegenüber den vergangenen Jahren, als deren Börsenwert aufgrund der optimistischen Annahme, dass aus diesen Forschungen irgendwann bahnbrechende medizinische Therapien entstehen werden, auf einem hohen Niveau lag. Auf dem biotechnischen Finanzsektor stellen mittlerweile einige offen infrage, ob diese Hoffnungen unrealistisch waren und den Investoren die entsprechenden Werte zu massiv aufgedrängt wurden. Der Analyst Donald Harding von Goldman Sachs äußerte sich sogar folgendermaßen: >Die gesamte Branche der Stammzellenforschung wird durch eine Luftblase finanziert, die kurz vor dem Platzen steht. Genau wie in den Neunzigerjahren, als die Internetaktien kaum mehr als ein frommes Gebet und eine halb ausgegorene Idee brauchten, um schwindelnde Ausgabepreise zu erzielen, hat der Biotechnologiesektor heute gegenüber seinen Gewinnerwartungen unverhältnismäßig viel in die Stammzellenforschung investierte Zitat Ende.«
Nathan verzog das Gesicht und murmelte: »Idiot«. Donald Harding war einer der Hauptgründe dafür gewesen, dass er Goldman Sachs verlassen hatte. Nathan hatte Harding nicht davon überzeugen können, dass die Stammzellenforschung zukunftsträchtig war, und ihre Uneinigkeit ließ ihm keine andere Wahl, als zu kündigen.
»Es bleibt abzuwarten«, fuhr die Sprecherin fort, »ob dies nur eine Neuordnung der Stammzellenforschungsbrauche bedeutet oder ein Indiz dafür ist, dass diese Technologie einfach noch nicht weit genug ist fürs große Geschäft. Aus Saint Louis berichtete Susan Archer-Bentham für die Radionachrichten von Associated Press.«
Nathan schaltete das Radio aus, während er weiter den Wacker Drive entlangfuhr und durch die ersten Strahlen des Sonnenaufgangs seinen gewohnten Parkplatz ansteuerte. Er war gereizt und missmutig. Eine Technologie, in deren Vermarktung er sich profiliert hatte, wurde plötzlich zu einer Zielscheibe für Untergangspropheten.
Während er darauf wartete, dass der Aufzug den siebenundvierzigsten Stock erreichte, fluchte er leise vor sich hin. War es an der Zeit auszusteigen? Zwei Jahre lang hatte er daran gearbeitet, ein Biotechnologie-Portfolio aufzubauen, doch nun gingen ihm langsam die geeigneten Firmen aus. Er überquerte den Flur, zog mit einer einzigen Bewegung die Glastür zu seinem Büro auf und ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Eines stand fest: Er war durchaus imstande, allein weiterzumachen, doch er würde nicht
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