Die Erben der Schwarzen Flagge
ebenso arrogant und eingebildet wie Euer Vater«, stellte er fest.
»Ihr behauptet also noch immer, ihn zu kennen?«
»Allerdings.«
»Ihr seid ein Lügner, Kapitän. Habt wenigstens so viel Anstand, es zuzugeben. Hier auf See kann ich Euch ohnehin nicht entrinnen.«
»Und wenn ich Euch beweise, dass ich Euren Vater kenne?«
»Wie wollt Ihr das anfangen?«
»Indem ich Euch von meinem Treffen mit ihm berichte, Doña Elena. Erst dreieinhalb Wochen ist es her, dass wir auf einem kleinen Eiland, das keinen Namen hat, zu einer Unterredung zusammenkamen.«
»Ihr lügt«, beharrte Elena, aber ihre Überzeugung begann bereits zu schwinden – denn vor dreieinhalb Wochen, zu jener Zeit also, da sie entführt worden war, hatte ihr Vater nicht in Maracaibo geweilt. Wäre es so gewesen, wäre vielleicht alles anders gekommen …
»Ich kann den Zweifel in Euren Augen sehen«, stellte Damian fest. »Ihr glaubt mir noch immer nicht, aber Ihr seid auch nicht mehr ganz so überzeugt, dass ich Euch belüge.«
»Angenommen, Ihr sprächt die Wahrheit – was sollte mein Vater mit Leuten wie Euch zu bereden haben?«
»Es ging dabei um die Sicherheit seiner Schiffe. Immer wieder kommt es vor, dass Galeonen der Silberflotte von Piraten ausgeraubt werden, während sie auf dem Weg zum sicheren Schatzhafen sind. Der Conde war äußerst ungehalten über die Unfähigkeit der Armada, diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Deshalb dachte er wohl, dass es am besten wäre, Feuer mit Feuer zu bekämpfen.«
Elena war stumm vor Erstaunen. Noch immer sträubte sie sich dagegen, den Worten des jungen Kapitäns Glauben zu schenken. Aber sie musste zugeben, dass seine Schilderung zumindest plausibel klang. Nicht nur, weil ihr Vater zum genannten Zeitpunkt tatsächlich unterwegs gewesen war und um das Ziel seiner Reise ein großes Geheimnis gemacht hatte, sondern auch, weil Elena aus dem Gespräch mit den Offizieren der Armada de Barlavento, das sie belauscht hatte, darüber unterrichtet war, dass die Piraten der Silberflotte tatsächlich schwer zugesetzt hatten. Und schließlich entsprach es auch dem Naturell ihres Vaters, in extremen Situationen zu nicht weniger extremen Maßnahmen zu greifen – die Weisheit, dass man Feuer am besten mit Feuer bekämpfte, hätte auch aus seinem Munde kommen können.
»Ihr kennt meinen Vater also wirklich?«, fragte sie zaghaft.
»Aber ja. Er und kein anderer war es, der uns den Auftrag erteilte, nach Euch zu suchen und Euch zu befreien.«
»Und das ist keine List? Keine freche Lüge?«
»Ich habe keinen Grund, Euch zu belügen«, beteuerte Damian.»Käme es mir nur darauf an, Euch zu entführen und an Nick Flanagans Stelle das Lösegeld zu kassieren, so brauchte ich nicht Eure Gunst zu gewinnen.«
»Wer weiß«, versetzte Elena spitz. »Vielleicht hofft Ihr ja noch andere Dinge zu gewinnen als nur Geld.«
»Ma chérie« , konterte Bricassart mit dreistem Grinsen, »auch das könnte ich mir jederzeit nehmen, ohne dass Ihr in der Lage wärt, etwas dagegen zu unternehmen. Vergesst nicht, dass Ihr Euch in meiner Gewalt befindet.«
Darauf wusste Elena nichts mehr zu erwidern. Die Argumente waren ihr ausgegangen, und ihr war mit einem Mal nur zu bewusst, dass sie Bricassart auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Zu Beginn hatte die Vorstellung, ihr Vater könnte gemeinsame Sache mit Piraten machen, sie noch erschreckt. Inzwischen war ihr klar, dass es ihre einzige Hoffnung war. In ihrer Verzweiflung musste Elena an Nick Flanagan denken, und ohne dass sie es wollte, überkam sie erneut tiefe Trauer.
»Wenn man Euch ansieht, Doña Elena, könnte man den Eindruck gewinnen, dass Ihr Euch so gar nicht über Eure Befreiung freut. Vielleicht sollte ich Euch eine Geschichte erzählen. Nur, damit Euch bewusst ist, wem Ihr Eure Rettung zu verdanken habt, und damit Ihr sie ein klein wenig mehr zu schätzen wisst.«
»Eine Geschichte?« Elena hob eine Braue. »Noch mehr Lügen?«
» Non, diese hier ist wahr«, versicherte Damian, »und ich bin sicher, dass sie Euch gefallen wird. Sie spielt in der Vergangenheit und handelt von einem Seeräuberschiff, das die Weltmeere befuhr auf der Suche nach Beute.«
»War der Kapitän dieses Schiffes Franzose?«, fragte Elena gereizt.
»Oui, c’est vrai« , bestätigte Damian. »Er war Franzose, und erführte sein Schiff mit strenger und eiserner Hand. Zu streng, wie manche fanden, und so kam es während einer Kaperfahrt zur Meuterei. Der Capitain wurde entmachtet und auf einer
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