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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Käpt’n.«
    »Wir werden die spanische Lady Bricassart und seinen Bluthunden nicht kampflos überlassen. Und wir werden für die Seadragon und ihre Besatzung Rache nehmen.«
    »Aye«, scholl es wie aus einem Munde, und der Chinese nickte.
    Nick zückte das Messer an seinem Gürtel, zog die Klinge kurzerhand über die Handfläche. »Das schwöre ich bei meinem Blut«, fügte er grimmig hinzu.
    »Ich ebenso«, erwiderte Jim und tat es ihm gleich. Auch Unquatl und der Chinese schworen auf Piratenart – nur Pater O’Rorke, dessen Ordensgelübde solchen Eid untersagte, begnügte sich mit einem entschlossenen Nicken.
    »Aye«, knurrte Nick. »Dann ist es entschieden. Die Bukaniere sind zurück …«

10.
    Karibische See
19. Mai 1692
     
    G leichmäßig hob und senkte sich der breite Bug des Schiffes, das die Windward-Passage durchfahren hatte und nun direkten Kurs auf Jamaica hielt. Anders als die meisten Schiffe, die die Luvpassage nahmen, brauchte dieses nicht um seine Sicherheit zu fürchten, denn es war selbst der Inbegriff desSchreckens. Schwarz und groß zeichnete es sich wie ein riesiger Schatten gegen die blaue See ab, und die grässliche Figur am Bug und die Flagge am Masttopp ließen schon von weitem erkennen, dass es ein tödlicher Fehler gewesen wäre, sich mit diesem Schiff und seiner Besatzung anzulegen.
    Einmal mehr stand Elena de Navarro an der Heckreling und blickte voller Sehnsucht über die weite See – aber diesmal blickte sie nicht nach Süden, sondern nach Norden, wo Tortuga am dunstigen Horizont entschwunden war. Hätte man ihr noch vor wenigen Tagen gesagt, dass sie sich danach sehnen würde, Nick Flanagan zu sehen, hätte sie nur bitter gelacht. Doch sie verspürte diese Sehnsucht tatsächlich – vielleicht, weil sie wusste, dass Nick Flanagan nicht mehr am Leben war. Blutüberströmt hatte sie ihn zu Boden sinken sehen, niedergestreckt von der Hand ihres Befreiers. Es war unwahrscheinlich, dass Flanagan die Folgen dieser Verletzung überlebt hatte – und Elena ertappte sich dabei, dass sie stille Trauer empfand.
    Sie schalt sich eine Närrin deswegen und redete sich ein, dass Nick Flanagan nicht mehr gewesen war als ein gemeiner Entführer und Pirat. Aber in den drei Wochen, die sie auf Tortuga in seiner Gefangenschaft verbracht hatte, hatte sie auch einen anderen, verletzlicheren Nick Flanagan kennen gelernt. Einen, in dessen Adern edles Blut floss und dem Begriffe wie Ehre und Anstand nicht gleichgültig waren – und ein Teil von ihr hatte begonnen, zumindest diesen Nick Flanagan zu mögen.
    Mehr noch, gestand sie sich widerwillig ein.
    Vielleicht hatte sie insgeheim sogar mehr als bloßes Verständnis empfunden – und das ausgerechnet für den Mann, der sie ihrem Heim entrissen hatte, um sich bitter an ihrem Vater zu rächen. Jener Augenblick, in dem ihre Lippen einander fast berührt hatten, war ihr unauslöschlich im Gedächtnis geblieben. Immer wiedermusste Elena daran denken, und sie fragte sich, was geworden wäre, hätten die Tochter des Conde und der Pirat sich tatsächlich geküsst an jenem Tag, der eine Ewigkeit zurückzuliegen schien …
    »In Gedanken, Doña Elena?«
    Elena wandte sich um. Ihr Befreier war zu ihr getreten – jener leichenblasse, vom Scheitel bis zur Sohle in unheimliches Schwarz gehüllte junge Mann, der sich ihr als Damian Bricassart vorgestellt hatte.
    Obwohl er sie aus Nick Flanagans Gewalt befreit hatte, konnte Elena nicht behaupten, dass sie Bricassart gegenüber Dankbarkeit oder gar Sympathie empfand. Im Gegenteil. Seine hageren Gesichtszüge, die infolge der tiefschwarzen Kleidung nur noch fahler wirkten, hatten etwas Unnahbares, vom kalten Blick seiner Augen ganz zu schweigen. Und wenn er sprach, glaubte Elena aus seinen Worten stets nur Spott herauszuhören. Obendrein war er ein Pirat und der Mörder Nick Flanagans – auch wenn sie ihm das schlecht zur Last legen konnte.
    »Seit wann kümmert es Euch, was ich denke, Kapitän?«, gab Elena nicht eben freundlich zurück. Ihr stand der Sinn nicht nach Gesellschaft, schon gar nicht nach der von Bricassart.
    Der junge Kommandant schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Welche saure Frucht verbirgt sich hinter so reizvoller Schale?«, fragte er mit französischem Charme. »Weshalb seid Ihr so abweisend, Doña Elena? Glaubt Ihr mir noch immer nicht, dass ich im Auftrag Eures Vaters handelte, als ich Euch befreite?«
    »Ob ich es glaube oder nicht, spielt keine Rolle«, erwiderte Elena, »ich könnte ohnehin

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