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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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stieß eine halblaute Verwünschung aus, um zu vertuschen, wie sehr ihn die Treue seiner Kameraden rührte. Er widerstand dem Drang, zu widersprechen und ihnen zu sagen, dass er am liebsten allein gehen und künftig nur noch für sich selbst Entscheidungen treffen wollte.
    Pater O’Rorke hatte Recht gehabt.
    Man wurde Verantwortung nicht los, indem man vor ihr floh. Leichtfertig hatte er sie auf sich genommen, nun gab es kein Entrinnen vor ihr. Nick musste tun, was seine Kameraden von ihm erwarteten. Sie brauchten Sicherheit und Führung. Und so sehr es ihm widerstrebte – er war der Einzige, der sie ihnen geben konnte.
    »Also schön«, sagte er leise. »Dann alle zusammen.«
    »Hast du schon einen Plan?«, fragte Jim.
    Nick sandte Pater O’Rorke einen unsicheren Blick und erntete dafür ein ermunterndes Nicken. Und während er über einen Plan nachsann, kehrte zumindest ein kleiner Teil seiner alten Selbstsicherheit zurück.
    »Ihr wollt mich begleiten, weil ihr mir als eurem Käpt’n die Treue haltet«, sagte er, »und ich schwöre feierlich, dass ich euchdas niemals vergessen werde. Und noch etwas schwöre ich – dass ich alles daransetzen werde, dass wir dieses Abenteuer heil überstehen und nach Tortuga zurückkehren.«
    »Hört sich gut an.« Jim grinste breit. »Also, was tun wir?«
    »Durch meine Verletzung haben wir schon genug Zeit verloren«, erklärte Nick weiter. »Wir werden umgehend aufbrechen und die Insel verlassen.«
    »Die Insel verlassen? Wie willst du das anfangen ohne Schiff?«
    »In einem der Fischerdörfer werden wir uns ein Boot kapern. Als Fischer getarnt, werden wir unbehelligt durch die Luvpassage und durch die spanischen Kontrollen kommen.«
    »Und dann?«
    »Nehmen wir Kurs auf Jamaica.«
    »Bist du schon einmal dort gewesen?«
    »Noch nie.« Nick schüttelte den Kopf. »Ortskenntnisse haben wir leider nicht. Woran wir sind, werden wir erst wissen, wenn wir Port Royal erreichen und …«
    Er unterbrach sich, als der Chinese plötzlich vortrat und ihm einen bedeutsamen Blick zuwarf. Mit dem Fuß wischte der sehnige kleine Mann das faulige Laub beiseite, das den Waldboden bedeckte. Dann ließ er sich auf die Knie nieder und begann zu aller Verblüffung, mit der Klinge seines Messers Linien auf den Boden zu zeichnen.
    »Was ist denn nun los?«, fragte Jim flapsig. »Hat unser Schlitzauge den Verstand verloren?«
    »Ich denke nicht«, erwiderte Pater O’Rorke, der sich hinabbeugte und in Augenschein nahm, was der Chinese fabrizierte. »Ich denke, unser mandeläugiger Freund ist gerade dabei, eine Landkarte zu zeichnen.«
    »Was?«
    Verblüfft trat Nick vor und stellte fest, dass der Pater Rechthatte. Was der Chinese da auf den Waldboden skizzierte, war tatsächlich eine Karte; sie stellte eine weite Halbinsel dar, deren Landmasse sich schützend um eine nach Südwesten hin offene Bucht zog.
    »Was soll das sein?«, fragte Jim. »Port Royal?«
    Der Chinese nickte und blickte auf – es war einer der wenigen Anlässe, in denen Nick den Asiaten lächeln sah.
    »Du bist dort gewesen?«, fragte er. »Auf Jamaica?«
    Wieder ein Nicken. Dann verschwand das Lächeln aus den Zügen des Chinesen, und er deutete auf seinen Mund, dem die Zunge fehlte.
    »Ich glaube, unser Freund will uns damit sagen, dass er auf Jamaica in Gefangenschaft gewesen ist«, vermutete Pater O’Rorke. »Wohl nicht zu Zeiten Bricassarts, sonst hätte er es kaum überlebt, sondern noch unter dem alten Henry Morgan …«
    Der Chinese nickte wieder – O’Rorkes messerscharfer Verstand hatte richtig gefolgert. Mit Gesten und weiteren Zeichnungen auf dem Boden versuchte der Asiate, sein weiteres Schicksal zu schildern.
    »Man hielt ihn für einen Verräter, also beraubte man ihn zur Strafe seiner Sprache und verstieß ihn von der Insel«, übersetzte O’Rorke weiter. »Auf diese Weise gelangte er nach New Providence, wo Kapitän Graydon ihn für die Mannschaft der Seadragon anheuerte. Das ist viele Jahre her, aber er erinnert sich noch immer gut an Port Royal, und er kennt den Weg zur alten Gouverneursfestung genau.«
    »Gut gemacht, mein Freund«, lobte Nick und half dem Chinesen auf die Beine. »Dein Wissen wird uns zweifellos von großem Nutzen sein, dennoch wird es alles andere als einfach werden. Ich nehme an, dass Bricassart Doña Elena in seiner Zitadelle gefangen hält, und um dort einzudringen, werden wir unseiniges einfallen lassen müssen. Aber wir werden unser Bestes versuchen. Aye, Mateys?«
    »Aye,

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