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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Biester, die den Schiffen zu folgen pflegen. Die meiste Zeit sind sie nur hinter Abfällen her, die von den Smutjes über Bord geworfen werden, aber manchmal bekommen sie auch mehr zwischen die Zähne.« Damian lachte rau, und Elena wurde von Abscheu geschüttelt. »Würdet Ihr mir zustimmen, Doña Elena, dass sich kein vernunftbegabter Mensch freiwillig zu diesen Bestien gesellen würde?«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Elena, während ihr Dunkles schwante. »Er müsste verrückt sein.«
    »Ihr sagt es«, bestätigte Damian grinsend. Dann wandte er sich seinen Männern zu, die in den Wanten mit Takelungsarbeiten beschäftigt waren, und rief einen von ihnen herab – einenschlanken, etwas unbeholfen wirkenden Burschen, der kaum noch Zähne im Mund hatte und dessen Oberkörper mit Tätowierungen übersät war, die Elena die Schamröte ins Gesicht trieben.
    Auffallend war die schwerfällige Art und Weise, mit der nicht nur er, sondern auch alle anderen an Bord sich bewegten – hätte Elena an derlei Dinge geglaubt, hätte sie die Leviathan für ein Geisterschiff halten können, so unheimlich kam ihr vor, was sich an Bord abspielte. Dazu der seltsame Blick des Mannes: Obwohl er auf Damian Bricassart gerichtet war, schien er durch ihn hindurch zu reichen.
    »Ihr habt nach mir gerufen, Sir?« Die Stimme des Hageren klang unbeteiligt, als wäre er in Wahrheit mit ganz anderen Dingen befasst.
    »Ganz recht«, erwiderte der junge Kapitän ungerührt. »Ich will, dass du über Bord springst.«
    Der Seemann zögerte nur einen Lidschlag. »Aye, Sir«, sagte er, ohne dass sich sein Tonfall oder der stumpfe Blick seiner Augen verändert hätte. Dann wandte er sich um und trat auf die Achterreling zu, machte Anstalten, sie zu besteigen.
    »Nein!«, rief Elena entsetzt, aber der hagere Seemann ließ sich nicht beirren. Während Bricassart mit genüsslichem Grinsen zusah und niemand sonst an Bord sich um das zu scheren schien, was achtern vor sich ging, erklomm der Pirat die Reling, setzte darüber hinweg und stürzte sich kopfüber in die Tiefe.
    Erschrocken beugte sich Elena über die Reling, sah den Hageren im Kielwasser der Leviathan strampeln und mit den Armen rudern. Offenbar konnte er nicht einmal schwimmen. Bizarrerweise schrie er nicht vor Panik und rief auch nicht um Hilfe – auch dann nicht, als die Dreiecksflossen in seine Richtung schwenkten. Elena hielt den Atem an, als sie die grauen Schatten sah, die mit beängstigender Geschwindigkeit unter der Wasseroberflächedahinglitten. Ein Teil von ihr drängte sie dazu, sich abzuwenden, ein anderer Teil wollte das grausige Schauspiel weiterverfolgen.
    Schon hatte der erste Hai den zappelnden Seemann erreicht. Elena konnte sehen, wie sein Kopf für einen Augenblick unter Wasser verschwand, um im nächsten Moment an die Oberfläche zurückzuschießen. Wie ein Korken schwamm er obenauf, und fassungslos glaubte Elena zu erkennen, wie einer der erbarmungslosen Tiefseeräuber mit etwas im Maul davonschoss, das wie der Arm eines Menschen aussah.
    Plötzlich brach der Pirat sein unheimliches Schweigen. Als erwachte er in den letzten Augenblicken seines Lebens aus der Lethargie, begann er aus Leibeskräften zu schreien, während die Haie ihn weiter attackierten. Das Wasser färbte sich blutrot, und als der Hagere schließlich in einer Woge von Blut und schäumender Gischt verschwand, da wandte sich Elena ab, erschüttert über das, was sie gesehen hatte. Jäh verstummten die Schreie des Mannes. Schweigen kehrte ein, das schwer auf Elena lastete.
    »Nun, Doña Elena?«, erkundigte sich Damian Bricassart mit unversehrtem Lächeln. »Hat Euch meine kleine Demonstration beeindruckt? Glaubt Ihr mir nun, dass es in der Macht meines Vaters steht, jedwede Kreatur auf dieser Welt zu seinem willenlosen Werkzeug zu machen?«
    »Euer Vater?«, flüsterte Elena bebend vor Entsetzen, während sie spürte, wie ihr Magen rebellierte. »Er also war es, der auf jener Insel strandete?«
    »Er und kein anderer«, bestätigte Damian. »Und jenes Geheimnis hat ihn zu einem starken und mächtigen Mann gemacht, Doña Elena. Ihr solltet Euch also gut überlegen, ob Ihr seinen Sohn verschmähen wollt.«
    Elena starrte den jungen Kapitän an. Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie ihn nur für einen Räuber und Mördergehalten – jetzt wusste sie, dass er ein Scheusal war, ein menschenverachtendes Monstrum, das nichts auf Ehre und Anstand gab und zu seiner bloßen Erbauung tötete.
    ten – jetzt wusste

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