Die Erben der Schwarzen Flagge
fragte Damian, der seine eigene Waffe in die linke Hand gewechselt hatte und nun mit zwei Klingen bewehrt war. »Hat es dir die Sprache verschlagen? Lass uns zu Ende bringen, was unsere Väter einst begonnen haben, es ist an der Zeit.«
Nick begriff, dass es keine andere Möglichkeit gab. Er warseinem Stern gefolgt, und er hatte ihn hierher geführt. Nun musste er es wohl oder übel zu Ende bringen.
Bleiernes Schweigen legte sich über den Marktplatz, und aller Augen richteten sich auf die beiden Brüder, die einander mit blanken Klingen umkreisten, lauernd wie Raubtiere.
»Was hast du?«, wandte sich Damian zähnefletschend an Nick. »Warum greifst du mich nicht an?«
»Ich lasse dir den Vortritt, Bruder«, erwiderte Nick.
»Bilde dir nicht ein, dass ich dich schonen werde, nur weil wir dieselbe Mutter hatten. Du wirst auf diesem Platz elend verbluten, und der Stahl meiner Klinge wird der Grund dafür sein.«
Mit einer geschmeidigen Vorwärtsbewegung unternahm er einen Ausfall. Die Spitze des Rapiers schnellte vor und zielte auf Nicks Brust, der sich mit einem Rückwärtssprung außer Reichweite der Waffe brachte. Damian stieß eine Verwünschung aus und setzte mit dem Breitschwert nach, und die Klingen begegneten sich mit metallischem Klang.
Nick musste auf der Hut sein. Die schmale Klinge von Damians Rapier war grausam zugespitzt, sodass auch schon ein mit halber Kraft geführter Treffer ausreichte, das Herz des Gegners zu durchbohren; das Breitschwert hingegen hatte eine mörderisch geschärfte Schneide, die klaffende Wunden zu schlagen vermochte.
Immer wieder stach Damian zu, wie ein Moskito in der drückenden Schwüle Maracaibos, und Nick konnte nichts anderes tun, als den Attacken seines Gegners auszuweichen und ihnen mit schnellen Paraden zu begegnen, während er gleichzeitig vor den Hieben des Breitschwerts auf der Hut sein musste. Das Duell, das damals auf Tortuga seinen Anfang genommen hatte, setzte sich jetzt fort, und Nick musste zugestehen, dass Damianungleich besser focht als in jener Nacht in Cayenne. Wütend trieb er Nick vor sich her. Hass loderte in seinen Augen, sein Mund war zu einem höhnischen Lächeln verzerrt.
»Nun, wie steht es, Bruder? Dämmert dir, dass du dieses Duell nicht gewinnen wirst?«
Erneut setzte er zu einem Ausfall an, aber Nick konterte die Attacke, und einen Augenblick lang starrten sich die beiden Kontrahenten über die gekreuzten Klingen hinweg an.
»Egal, wie dieser Kampf ausgeht – ich habe schon gewonnen«, brachte Nick in Erinnerung.
»Du bist ein Narr. Glaubst du im Ernst, mein Vater würde sich an die Abmachung halten?«
»Er hat es beschworen.«
» D’accord, aber ich habe nichts beschworen. Und wer sagt dir, dass ich mir Elena nicht einfach nehmen werde, wenn ich dich erst durchbohrt habe?«
»Mistkerl!«, rief Nick und stieß seinen Gegner von sich. Damian, der darauf nicht gefasst war, geriet ins Taumeln und landete auf dem Hinterteil, seine Waffen verlor er dabei. Anstatt jedoch nachzusetzen und ihm den Rest zu geben, wie sein Halbbruder es wohl getan hätte, zögerte Nick. Er wollte diesen Kampf gewinnen, aber mit gerechten Mitteln. Wenn er einen wehrlosen Gegner niederstach, war er nicht besser als Bricassart.
»Ein törichter Fehler«, spottete Damian, während er nach dem Breitschwert griff und sich wieder auf die Beine raffte. »Du hättest mich töten sollen, als du die Gelegenheit hattest. Aber dazu bist du nicht in der Lage, nicht wahr? Du bist zu weich, Flanagan, und das wird dein Untergang sein.«
»Wenn ich mich recht entsinne«, knurrte Nick, »hat mir das schon einmal jemand prophezeit.«
»Und? Was ist aus ihm geworden?«
»Er ist tot«, erwiderte Nick ungerührt. »Hat sich mit den falschen Leuten eingelassen …«
Diesmal war es Nick, der einen Ausfall unternahm und seinen Gegner mit gewitzten Hieben vor sich hertrieb. Indem er blitzschnelle Finten vortrug und die Stoßrichtung der Klinge unerwartet änderte, brachte er Damian in Bedrängnis. Ein atemberaubendes Duell spielte sich auf dem Marktplatz ab, bei dem die Gegner einander ebenbürtig waren und sich nichts schenkten.
Nick hatte keine Zeit, in der Hitze des Gefechts zu seinen Gefährten zu blicken – hätte er es getan, hätte er gesehen, wie Jim, Unquatl und der Chinese den Kampf gebannt verfolgten und dass Elena und Pater O’Rorke die Hände zum Gebet gefaltet hatten. So aber war er damit befasst, die Attacken seines Gegners abzuwehren und zum Gegenangriff
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