Die Erben der Schwarzen Flagge

Bricassart fest. »Es sei also – Ihr werdet meinem Sohn Genugtuung geben für die Schmach, die Ihr und die spanische Hure ihm angetan haben.«
    »Nur zu gern«, versicherte Nick. »Aber es gibt Bedingungen.«
    »Bedingungen? Ihr wagt es, Bedingungen zu stellen?«
    »Ich verlange freies Geleit für meine Gefährten und die Engländer, unabhängig davon, wie der Kampf ausgeht«, legte Nick seine Forderungen dar. »Außerdem müsst Ihr Euch verpflichten, dass Doña Elena kein Leid zugefügt und sie sicher zurück nach Maracaibo gebracht wird.«
    »Nein, Nick«, hauchte Elena, und auch seine Freunde warfen ihm entsetzte Blicke zu. Aber er ließ sich nicht beirren.
    »Also«, fragte er, »was ist?«
    »Ihr verlangt viel«, stellte Bricassart fest.
    »Nicht mehr, als die Ehre Eures Sohnes Euch wert sein sollte«, erwiderte Nick in unverhohlenem Spott.
    »Und wer garantiert Euch, dass ich mein Wort nicht breche? Es wäre nicht das erste Mal …«
    »Der Schamane soll die Abmachung besiegeln«, erwiderte Nick und deutete auf den kleinen schwarzhäutigen Mann, der zu Bricassarts Füßen kauerte und reichlich unscheinbar wirkte ohne seine schaurige Staffage. »Sicher kennt er einen Fluch, der Euch verpflichtet, Euer Wort zu halten.«
    »Sieh an«, meinte Bricassart. »Ihr glaubt an die Macht des Voodoo?«
    »Nein.« Nick schüttelte den Kopf. »Aber Ihr glaubt daran. Das genügt für meine Zwecke.«
    Bricassart schien nachzudenken. Dann lachte er leise und befahl dem Schamanen etwas in dessen fremder Sprache. Der Voodoo-Mann erhob sich daraufhin und murmelte dumpfe Beschwörungsformeln, wobei er den Talisman umklammerte, den er an einem Lederriemen um den Hals trug.
    »Der Handel gilt«, verkündete Bricassart schließlich, und die Piraten ringsum wichen zurück, um den Kreis zu vergrößern. Damian zog hohnlachend seine Klinge und schritt in die Mitte des Kampfplatzes, des Sieges gewiss.
    »Eure Klinge, Scarborough«, verlangte Nick.
    Der Offizier, aus dessen Zügen die Arroganz gewichen war, sandte ihm einen undeutbaren Blick. »Ich sollte an Eurer Stelle kämpfen«, sagte er leise. »Ich trage Schuld an dem, was geschehen ist.«
    »Vielleicht«, entgegnete Nick gelassen, »aber nicht Ihr seid es, gegen den Bricassart kämpfen will, sondern ich. Und davon abgesehen habe ich selbst noch eine Rechnung mit ihm offen.«
    Einen unmerklichen Augenblick zögerte Scarborough. Dann händigte er Nick seine Waffe aus, mit dem Griff voraus und der Klinge auf dem Unterarm, wie es unter Ehrenmännern üblich war. Nick nahm die Waffe entgegen und schwang sie durch die Luft. Elena umarmte ihn zum Abschied, wissend, dass sein Opfer die einzige Aussicht auf Rettung bot.
    »Ich liebe dich«, flüsterte sie.
    »Dann habe ich bereits gewonnen«, erwiderte er mit einem Lächeln.
    Seine Freunde klopften ihm auf die Schulter, um ihm nach Art der Bukaniere Glück zu wünschen, und er ließ sich auf die Knie nieder, damit Pater O’Rorke ihn segnete. Dann trat auch Nick in die Mitte der Runde, während seine Gefährten sich zurückzogen, um Platz zu machen.
    Gefasst traten die beiden Kontrahenten einander entgegen. Unverhohlener Hass loderte in Damians Blick, und Nick brannte darauf, ihm die Niederlage von Tortuga heimzuzahlen und den Verlust seines Schiffes und seiner Mannschaft zu rächen. Schon wollten sie mit blanken Klingen aufeinander losgehen, als sich noch einmal der alte Bricassart vernehmen ließ.
    »Einen Augenblick noch«, bat er.
    »Was ist, Bricassart?«, spottete Nick. »Fürchtet Ihr schon jetzt um das Leben Eures Sohnes?«
    »Keineswegs. Aber es gibt etwas, das ihr beide wissen solltet, ehe dieses Duell beginnt. Es könnte – comment dire? – dem Kampf eine zusätzliche Note geben.«
    »So? Und was wäre das?«
    »Rien d’importance« , antwortete Bricassart beiläufig. »Ich wollte Euch, letzter Spross des Hauses Graydon, nur wissen lassen, dass der Mann, mit dem Ihr die Klinge kreuzen wollt, Euer Bruder ist.«
    »Was?«
    Nick hatte das Gefühl, als wanke der Boden unter seinen Füßen, und tatsächlich hatte er einen Augenblick lang zu tun, sich auf den Beinen zu halten. Dann erst drang die Bedeutung von Bricassarts Worten in sein Bewusstsein.
    »Ihr lügt!«, war seine erste Reaktion, und zum ersten Mal waren er und Damian sich einig. Auch Bricassarts Sohn war alles andere als erbaut über die unerwartete Enthüllung.
    »So? Glaubt Ihr? Dann lasst Euch sagen, dass ich an jenem Tag, an dem ich Clifford Graydons Schiff