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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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dass Tante Mary das Land von Rechts wegen gar nicht veräußern konnte? Rachel prüfte noch einmal das Datum: 6. Juli 1935 … kaum einen Monat nach der Ankunft ihres Vaters im Hafen von New York.
    Eine andere Lösung des Rätsels kam ihr in den Sinn. Als William Toliver einundzwanzig geworden war, hatte Tante Mary ganz genau gewusst, dass ihr Neffe der Plantage nicht viel abgewinnen konnte. Hatte sie sein Land stillschweigend Somerset zugeschlagen, weil sie fürchtete, er würde es verkaufen? Wenn es nicht an Somerset angrenzte und sie es nicht an Percy veräußert hatte, wo genau am Sabine River lag es dann? Wo war die Übertragungsurkunde? Und welche Parzelle hatte sie in diesem Fall Percy verkauft?
    Rachel drückte ihre kalten Hände gegen ihre heißen Wangen. Worauf war sie da gestoßen? Auf Betrug? Oder auf Verrat und Diebstahl? War am Ende gar Rachels Vater der Schuldige? Hatte Tante Mary das Land wie angewiesen überschreiben lassen, hatte er es verkauft, und hatten die beiden all die Jahre Stillschweigen darüber bewahrt?
    Nein, unmöglich. Rachels Vater hätte nie zugelassen, dass ihre Mutter eine Lüge glaubte, die ihre Ressentiments gegen die Tolivers schürte. Andererseits hatte Rachel – bis jetzt – auch Tante Mary nichts Derartiges zugetraut, und was Percy Warwick anbelangte … Er war der ehrenwerteste Mann, den sie kannte. Als Rachel den Brief noch einmal überflog, wurde ihr übel. Bring die Übertragungsurkunde mit … Hatte er sich tatsächlich auf einen Vorschlag eingelassen, der einen sechs Jahre alten Jungen um sein Erbe brachte?
    Eine Antwort würde sie immerhin erhalten, wenn ihr Vater
am Abend anrief. Sie würde ihm von ihrer Entdeckung erzählen und ihn fragen, wo sich die Übertragungsurkunde jetzt befand. Ziemlich sicher hatte er keine Ahnung. Und er wusste bestimmt auch nichts von seinem Erbe. Am Morgen würde sie zum Grundbuchamt gehen und die Einträge für das betreffende Grundstück überprüfen.
    Scheinwerferlicht fiel, reflektiert vom geschlossenen Garagentor, in ihr Zimmer. Aha, Sassie und Henry kamen nach Hause. Rachel stand auf, um sie hereinzulassen, bevor sie klingelten und sie die versperrte Hintertür erklären müsste. Sie war etwa auf halber Höhe der Treppe, als sie das Blaulicht eines Polizeiwagens sah. Dann folgten das Geräusch quietschender Reifen, das Schlagen von Autotüren und schließlich Männerstimmen – unter ihnen die von Matt und Amos. Was war da los?
    Es klingelte. Mit wild pochendem Herzen hastete sie hinunter, löste den Riegel und öffnete die Tür. Mehrere Männer starrten sie an, Amos und Matt vorn, der County Sheriff und zwei Highway-Polizisten mit grimmigen Gesichtern hinter ihnen.
    »Was ist?«, fragte Rachel.
    »Deine Eltern … und Jimmy«, krächzte Amos. Dabei bewegte sich sein Adamsapfel auf und ab wie ein Tischtennisball.
    »Ja?«
    Matt trat über die Schwelle, um ihre Hand zu ergreifen. »Ihr Wagen ist von einem Güterzug erfasst worden, Rachel. Sie waren auf der Stelle tot.«

VIERTER TEIL

DREIUNDSECHZIG
    Kermit, Texas, zwei Monate später
     
    R achel stand an der Tür zu ihrem Elternhaus – Autoschlüssel in der Hand, eine gepackte Tasche zu ihren Füßen – und blickte ein letztes Mal hinein. Es blieb kein sichtbarer Hinweis auf das Leben, das hier geführt worden war, zurück. Die Kratzer und Flecken lagen unter einer Schicht cremeweißer Farbe verborgen, die sie selbst aufgetragen hatte, weil sie die Beseitigung der Erinnerung nicht Fremden anvertrauen wollte. Sie hatte sechs Wochen gebraucht, um das Haus für die neuen Bewohner – wer sie auch immer sein mochten – auszuräumen und herzurichten.
    Die Nachbarin und beste Freundin ihrer Mutter, die Rachel ihr Leben lang kannte, hatte gefragt: »Warum willst du das Haus so schnell verkaufen? Wieso bleibst du nicht erst mal eine Weile hier?«
    Rachel hatte stumm den Kopf geschüttelt. Sie verdiente es nicht, an diesem Ort zu leben, den sie geliebt und verraten hatte. Das wäre ein Frevel.
    »Werden Sie in Lubbock bleiben?«, hatte Danielle sich erkundigt, als Rachel ihre Sachen im Büro packte, in dem bereits ihr Nachfolger, ein junger Japaner, an ihrem Schreibtisch saß. Ihre persönliche Habe befand sich, ordentlich in einem Karton, in einer Ecke des Raums. Ron Kimball, dessen Vater zu den Überlebenden des Todesmarschs von Bataan gehörte, hatte sich bereits verabschiedet und eine neue Stelle bei einer Baumwollplantage im angrenzenden County angetreten. Denn für

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