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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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wurde ihr fast schwindelig. Tatsächlich, es bestand kein Zweifel: Entgegen dem, was ihre Familie geglaubt – was Tante Mary sie glauben gemacht – hatte, war Miles von Vernon Toliver durchaus ein Teil der Plantage vererbt worden.
    Rachel merkte, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. Tante Mary hatte gelogen, das Erbe ihres Bruders verschwiegen. Aber warum? Wieso diese Geheimnistuerei? Wenn Rachels Vater darum gewusst hätte, wäre das doch eine Motivation für ihn und somit im Interesse von Tante Mary gewesen. Was war mit diesem Grund geschehen? Hatte Miles Toliver ihn verkauft? Und hatte Tante Mary sich für diesen Verkauf geschämt und ihrem Neffen deshalb nichts davon gesagt?
    In dem Kästchen befanden sich zwei weitere, mittels einer verrosteten Büroklammer zusammengehaltene Umschläge. Der verblichene Name über der Absenderadresse auf dem oberen ließ Rachel nach Luft schnappen. Miles Toliver. Der Brief war in Paris abgeschickt worden, der Poststempel nicht mehr lesbar. Rachel zog das Schreiben, datiert auf den 13. Mai 1935, heraus.
    Liebe Mary,
    ich liege mit Lungenkrebs im Krankenhaus, eine Folge des Phosgen-Gases, dem ich im Krieg ausgesetzt war. Die Ärzte sagen, es sei nur noch eine Frage der Zeit. Um mich selbst mache ich mir keine Sorgen, nur um meinen Sohn William. Er ist sechs und der süßeste kleine Kerl der Welt. Seit dem Tod seiner Mutter vor zwei Jahren sind wir allein. Ich möchte ihn Dir und Ollie schicken, damit ihr ihn wie euer eigenes Kind aufzieht, vielleicht als jüngeren Bruder von Matthew. Er sieht aus wie ein Toliver, Mary, und wer weiß? Möglicherweise wird er eines Tages den Familiennamen mit der Begeisterung schätzen und achten, die seinem Vater fehlte. Bitte lass es ihn wenigstens versuchen. Er wird am 15. Juni mit der Queen Mary in New York ankommen. Nähere Informationen liegen bei.
    Außerdem sende ich Dir die Übertragungsurkunde für den Grund am Sabine River, den Papa mir vermacht hat. Wie Du siehst, habe ich Deinen Namen als Verwalterin für William einsetzen lassen, bis er einundzwanzig ist. Dann würde ich Dich bitten, das Land auf ihn zu überschreiben, so dass er damit verfahren kann, wie er es für richtig hält. Möge er bis dahin so mit der Toliver-Tradition verwachsen sein, dass er nicht mehr auf die Idee kommt, sich von seinem Erbe zu trennen.
    Er wird es gut haben bei euch, das beruhigt mich. Sag bitte Ollie, dass er und Percy für mich die besten Freunde waren, die ein Mensch sich wünschen kann. Ich hoffe, ihr behaltet mich alle in guter Erinnerung.
    Dein Dich liebender Bruder,
    Miles
    Rachel entsann sich der Schilderungen ihres Vaters, wie er mit sechs Jahren ganz allein und voller Angst im New Yorker
Hafen angekommen war, nur der französischen Sprache mächtig. Onkel Ollie hatte ihn in der wartenden Menge am Pier entdeckt und ihm sofort die Scheu genommen, indem er ihm Eiscreme und Limonade kaufte und ihn während der langen Bahnfahrt nach Howbutker mit Erzählungen über Miles unterhielt. Onkel Ollie war ohne Mary nach New York gefahren, weil diese in Somerset die Pflanzung überwachen musste.
    Nervös nahm Rachel den anderen, an Mary DuMont adressierten Umschlag zur Hand und erkannte sofort, dass die steile schwarze Schrift von Percy Warwick stammte. Auf dem Kuvert befanden sich weder Absender noch Briefmarke, noch Poststempel, was bedeutete, dass es persönlich überbracht worden war. Rachel zog die kurze Botschaft vom 6. Juli 1935 heraus.
    Mary,
    trotz meiner Vorbehalte glaube ich, mich auf Deinen Vorschlag einlassen zu können. Ich bin bei Ollies Gläubiger gewesen, habe ihn aber nicht umstimmen können. Deshalb werde ich die Parzelle erwerben, über die wir gesprochen haben. Treffen wir uns doch am Montag um drei Uhr am Gerichtsgebäude, um alles Weitere zu besprechen. Bring die Übertragungsurkunde mit, ich habe den Scheck dabei.
    Wie immer der Deine,
    Percy
    Rachel richtete sich auf. Vor ihrem geistigen Auge sah sie die rauchenden Schlote der riesigen Papiermühle und der angrenzenden Papierfabrik an Somersets östlicher Grenze. Auf der anderen Seite des Komplexes floss der Sabine River. Bisher hatte Rachel diese räumliche Nähe zur Plantage der Tolivers für zufällig gehalten, doch jetzt …
    Gütiger Himmel – war das möglich? Bezog sich Percys Brief tatsächlich auf den Grund ihres Großvaters entlang des Sabine River, und hatte Tante Mary diesen ihm entgegen Miles’ Anweisungen verkauft? Basierten Percys Vorbehalte auf dem Wissen,

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