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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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habe immer schon zu viele Opfer gefordert, hatte sie gesagt.
    William begann den Sinn dieses Satzes zu ahnen. Somerset hatte sie um Percy und weiß Gott worum noch gebracht. In gewisser Hinsicht auch um William, der geblieben wäre, wenn er nicht auf der Plantage hätte arbeiten müssen. Wie er sie gehasst hatte! Die Stechmücken, die Hitze und den Schweiß, den Morast in der Regenperiode und den in alle Ritzen dringenden Staub in Dürrezeiten, die Kletten, die Angst vor Schlangen und die nie enden wollende Arbeit. Irgendwann, hatte man ihm zu verstehen gegeben, würde all das ihm gehören, weil er ein Toliver war.
    Er schüttelte den Kopf, als wollte er eine lästige Fliege loswerden. Nein, das hätte er nicht ausgehalten. Auf keinen Fall. Und jetzt stand Somerset zwischen seiner Frau und seiner Tochter und würde Rachel um diesen netten Matt Warwick bringen. Die beiden schienen füreinander geschaffen wie Percy
und Mary, aber sie würde keinen Mann heiraten, dessen Großvater das Land besaß, das sie immer als das ihre erachten würde. Tante Mary hatte mit ihren guten Absichten alles verdorben. Rachel würde Tante Mary genauso wenig verzeihen wie Alice ihrer Tochter, dass sie sich damals auf die Seite von Mary geschlagen hatte.
    William stieß einen tiefen Seufzer aus. Er verstand, was Tante Mary mit den Opfern gemeint hatte, doch wie genau sah dieser verdammte Toliver-Fluch aus? Und hatte Tante Mary Rachel tatsächlich davor bewahrt?
    Die gewundene, schmale Straße unter den grünen Bäumen verschwamm vor seinen Augen; ein Gefühl des Bedauerns über die tragischen Wendungen des Schicksals stieg in ihm auf und beschäftigte ihn so sehr, dass er das Pfeifen des Zugs in der Ferne nicht hörte. Die Autofenster waren geschlossen, die Sicht nach rechts war durch das Handtuch auf der Beifahrerseite und einen Kleidersack an der hinteren Tür behindert. Außerdem brummte die Klimaanlage, und aus Jimmys Kopfhörern drang gedämpft Rockmusik. Als William das Pfeifen wahrnahm, mutete es ihn wie ein Naturgeräusch an, so sehr ein Teil seiner Erinnerung an die Jugend, dass der Wagen sich bereits auf den Gleisen befand, als er merkte, dass ein Güterzug auf sie zuraste.
    Alice und Jimmy machten nicht einmal mehr die Augen auf. Kurz vor dem Aufprall war Williams Geist vollkommen klar, und plötzlich begriff er, was es mit dem Toliver-Fluch auf sich hatte.

ZWEIUNDSECHZIG
    I n ihrem Zimmer setzte Rachel sich, atemlos vor Spannung, aufs Bett, öffnete das grüne Lederkästchen und holte vorsichtig das Testament ihres im Juli 1916 gestorbenen Urgroßvaters heraus. Es war auf den 17. Mai desselben Jahres datiert. Zwischen den Seiten steckte ein Brief. Rachel entfaltete ihn und warf einen Blick auf die letzte Zeile: Euer Euch liebender Vater, Vernon Toliver. Rachel bekam eine Gänsehaut. Mit dem Gefühl, den Schlüssel zu einem geheimen Raum gefunden zu haben, begann sie zu lesen:
    Meine liebe Frau und meine lieben Kinder,
    ich habe mich nie für einen Feigling gehalten, aber jetzt muss ich feststellen, dass ich nicht den Mut besitze, Euch noch zu Lebzeiten über meinen letzten Willen in Kenntnis zu setzen. Vor seiner Verlesung möchte ich Euch Folgendes versichern: Ich liebe Euch alle aus ganzem Herzen und würde mir wünschen, dass die Umstände eine gerechtere und großzügigere Verteilung meines Vermögens zuließen. Darla, meine geliebte Ehefrau, bitte versuch, meine Entscheidung nachzuvollziehen. Und Miles, mein Sohn, von Dir kann ich kein Verständnis erwarten, doch Dein Sohn wird eines Tages vielleicht nicht nur begreifen, sondern sogar dankbar sein für das Erbe, das ich Dir hinterlasse und anvertraue, damit Du es für ihn bewahrst.
    Mary, ich kann nur hoffen, Dich nicht mit jenem Fluch zu schlagen, der auf den Tolivers liegt, seit die erste Kiefer in
Somerset gefällt wurde. Ich bürde Dir große Verantwortung auf und möchte Dich dadurch nicht Deines Glücks berauben.
    Rachel sah ihren verdutzten Blick im Spiegel der Frisierkommode, als sie den Kopf hob. Dies war der erste schriftliche Hinweis auf den Toliver-Fluch, auf den sie je gestoßen war. Wie äußerte er sich? Und wie sah das Vermächtnis Vernon Tolivers für seinen Sohn aus? Wieder fröstelte sie. Voller Vorahnungen blätterte sie weiter, bis sie auf den Namen Miles Toliver stieß. Er wurde als alleiniger Erbe eines Grundstücks von knapp 260 Hektar am Sabine River genannt.
    Nein, das konnte nicht sein! Mary hätte nie … Als Rachel den Absatz noch einmal las,

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