Die Erbin
durch die Sowjets.«
»Dieses System war das alleinige Eigentum meines Vaters, und es ist jetzt mein Eigentum. Ich kann mit meinem Eigentum und meinem Leben machen, was ich will.«
»Mit Ihrem Leben? Niemand redet Ihnen da hinein. Ihre Monopolstellung als Reeder aber hat auch politische Konsequenzen.«
»Ihr habt Angst vor den Russen!« sagte sie und lachte höhnisch. »Ihr habt alle Angst. Angst vor einem kleinen Russen! Das ist schön! Das gönne ich euch!«
»Boris Lobow ist nichts als ein Befehlsempfänger, ein Rädchen in der großen Maschinerie sowjetischer Expansion. Durch die Heirat mit Ihnen gewinnt der Russe Einblick in die gesamte Schiffsversorgung des Westens. Er lernt sämtliche Handelsverbindungen kennen, die langfristigen Verträge, den Ölnachschub, die internationalen Verflechtungen. Das hat nichts mehr mit Handel zu tun – das ist ein Einbruch der Sowjets in unsere Logistik und unsere Strategie.« Major Bulder wartete, doch Lyda, die Erbin, schwieg verbissen. Aber sie hörte zu. Sie schrie nicht mehr und trommelte auch nicht mehr mit den Fäusten auf den Tisch. Sie starrte auf den vergoldeten hölzernen Wandleuchter und wirkte wie versteinert.
Bulder beugte sich über seine Aufzeichnungen.
»Boris Jegorowitsch Lobow wird zum erstenmal in der Öffentlichkeit bemerkt, als er die Spezialschule für Fremdsprachen in Moskau besucht. Ehemalige Klassenkameraden berichten, daß diese Schule vom sowjetischen Geheimdienst KGB geleitet wird. Alle Schüler wählt der KGB aus. Wer diese Schule verläßt, ist ein Agent des KGB! Lobow machte im Lauf der Jahre eine große Karriere. Das bedeutet, daß er ein lupenreiner Kommunist ist. Von seinem Pariser Büro aus unterstanden ihm alle Geheimdienstagenten an Bord sowjetischer Frachtschiffe, vom größten Handelsschiff und Tanker bis zum kleinsten Fischkutter. Überall fuhren Lobows Leute mit. Sein direkter Vorgesetzter ist Admiral Gorschkow.«
»Glaubst du jetzt?« fragte Tante Andromeda und ließ die Perlenkette durch die Luft kreisen.
»Nein! Boris sagt, es ist alles Lüge. Ich glaube ihm!«
Major Bulder hob die Schultern und leckte sich über die Lippen. Jetzt einen dicken Bourbon, dachte er. Pur und eiskalt. Die schlabbrige Orangeade ist zum Kotzen. Wie alles hier in dieser Villa der Milliardäre am Rande von Athen. Jede Viertelstunde donnert eine Düsenmaschine über Haus und Park – der Flugplatz ist ganz in der Nähe –, dann klirren die Fenster, und keiner versteht mehr den anderen. Aber sie bleiben hier hocken, obwohl es sie nur eine Tageseinnahme des Konzerns kosten würde, sich eine andere Villa in friedlicher Gegend zu bauen. Und das alles nur, weil der große Stavros einmal gesagt hat: »Hier höre ich meine Flugzeuge starten und landen. Es ist meine Welt …« Denn auch die größte private Fluggesellschaft gehörte ihm. Eine verrückte Familie! Wie sonst war es möglich, daß Stavros eine Irena Palvietti zu seiner Geliebten machen konnte! Und wer anders als ein Verrückter konnte Nanette – Nany Johnes – heiraten? Und jetzt hat seine Tochter und einzige Erbin einen Sowjetrussen geheiratet! Die Verrücktheit vererbt sich und potenziert sich sogar.
»Dreimal wurde Lobow von Admiral Gorschkow privat empfangen. Jedesmal bekam er eine Belobigung.« Bulder blickte kurz auf. Lydas haßgefüllte Augen nagelten ihn fest. Hör zu, dachte Bulder. Auch wenn du mich ermorden möchtest: Geheiratet hast du. Mußte das sein? Wenn du Appetit auf so etwas hast, Mädchen, dann hält dich keiner davor zurück, täglich drei Russen zu vernaschen. Zu jeder Mahlzeit einen, und zum Nachtisch noch einen. Aber man heiratet doch nicht gleich! Wo kämen wir hin, wenn jeder für ein Glas Milch gleich die ganze Kuh kaufen müßte? Eine Erbin wie du darf auch im Bett nicht vergessen, daß sechzig Schiffe um sie herumschwimmen, daß eigene Banken ihr Vermögen verwalten, daß eine weltumspannende Handelsunion die Bilanzen der Staaten beeinflussen kann. Du bist eben nicht Lina Muller, sondern Lyda Penopoulos.
»Die Daten stehen fest«, sagte Bulder ruhig. »Lobow erhielt Auszeichnungen in den Jahre 1968, 1974 und 1977. Fällt Ihnen dabei nichts auf?«
»Lassen Sie mich in Ruhe!« keuchte Lyda. »Sie infamer Lügner!«
»1968 heiratete Ihr Vater Nanette Johnes …«
»Ich will nichts mehr hören!« schrie die Erbin.
»1974 – Lobow erhielt die Auszeichnung im November – hatte Ihre Familie zwei tragische Schicksalsschläge zu bestehen: Im März 1973 stürzte Ihr
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