Die Erbin
Limonade.«
Das Gebäude des KGB ist kein Bauwerk, vor dem man ehrfürchtig stehenbleibt. Es ist eher dazu angetan, schnell an ihm vorbeizugehen. Ein riesiges Eckhaus im klassizistischen Stil, sieben Stockwerke über der Erde und sieben Kellergeschosse unter der Erde, mit schalldichten Zellen für vierhundert Menschen, Zellen, die nur selten jemand als freier Mensch verlassen hat.
Hier ist die Zentrale aller Geheimdiensttätigkeit untergebracht, wo immer in der Welt auch aus politischen Gründen gemordet, sabotiert, spioniert und konspiriert wird. Zweieinhalb Millionen Menschen arbeiten hauptberuflich für das ›Komitee für Staatssicherheit‹ – das bedeutet KGB, davon 90.000 allein im westlichen Ausland als Agenten. Der Jahresetat des KGB beträgt 20 Milliarden Mark, das ist mehr als der Gesamtetat mancher Staaten. Von 1917, als Lenin den Geheimdienst gründete und ihn das ›Schwert und Schild der Sowjetunion‹ nannte, bis heute sind vom KGB nach grober Schätzung 35 Millionen Menschen ermordet worden. Überall findet man die KGB-Agenten, getarnt als biedere Diplomaten, Kaufleute, Journalisten, Delegierte, Verbandsabgeordnete, Sportler.
Über dieses Haus, durch diese Büros in den sieben Etagen, über die Schreibtische der Offiziere laufen die Verbannungen ohne Wiederkehr nach Sibirien, in die Bergwerke und Holzfällerbrigaden, in die Steinbrüche, werden die Einweisungen in die Irrenhäuser unterschrieben, stellt man die Protokolle her von den Vernehmungen in den sieben Kellerstockwerken, die alle Schreie ersticken.
KGB – das ist nicht irgendeine Dienststelle. Das ist eine Spinne mit Millionen Augen und Millionen Giftstacheln.
Boris Jegorowitsch Lobow hatte seinen Wolga-Wagen an der Ecke geparkt und ging über die Straße. Er blieb stehen und ließ den Blick die Fassade des KGB-Hauses hochgleiten, bis zum vierten Stock, sechstes Fenster von rechts. Das war Pujatkins Zimmer. Ein nüchterner Raum, in dem schon über viele tausend Schicksale entschieden worden war.
Auch über meins, dachte Lobow, der Ehemann einer Milliardenerbin.
Er passierte die Kontrollen ohne Aufenthalt. Die wachhabenden Beamten kannten ihn, nickten ihm zu, einer kam sogar auf ihn zu und drückte ihm die Hände.
»Viel Glück, Boris Jegorowitsch. Viel Glück! Nun hast du ausgesorgt. Wo geht denn die Hochzeitsreise hin? Nach Sibirien – stimmt das? Mach aber um die Lager einen Bogen, Brüderchen, damit dein schwarzes Vögelchen nicht erschrickt. Ich würde nach Grusinien fahren oder auf die Krim. Aber das kennt sie ja schon. Sieht auch nicht anders aus als bei ihr an der Riviera. Ist schon richtig – fahr nach Sibirien. Sibirien ist Rußland, wie sie es sich im Westen vorstellen.« Der Mann lachte wohlwollend, drückte noch einmal Lobows Hände und strahlte ihn leutselig an. Lobow blieb kühl.
»Ich liebe sie wirklich«, sagte er, während der freundliche Mensch noch immer seine Hand schüttelte. »Ihr seht das alles ganz falsch.«
»Milliarden Rubel kann man nicht übersehen, Genosse.«
»Mich interessieren keine Geldberge.«
»Aber uns, Boris Jegorowitsch.« Der nette Mensch, der allmählich lästig wurde, klopfte Lobow auf die Schulter. »Gut hast du das gemacht. Du gehst jetzt zu Pujatkin?«
»Ja«, sagte Lobow verschlossen.
»Eine Medaille wird fällig sein, wetten wir? Oder die Beförderung zum Major. Du machst Karriere, Genosse!«
Lobow ging weiter, fuhr mit dem Lift in die vierte Etage und meldete sich bei der Sekretärin an. Ljuba, ein blondes Mädchen mit wasserhellen Augen und einem Schmollmund, der zum Küssen reizte, hätte ihn vor Begeisterung am liebsten umarmt. Sie beherrschte sich aber, strahlte Lobow nur aus großen Augen an und leckte sich die Lippen.
»Gratuliere, Genosse!«
»Danke.« Lobow zeigte auf die Tür im Hintergrund. »Ich werde erwartet.«
»Es war eine schöne, schlichte Hochzeit.«
»Wir wollten es so.«
»Haben Sie schon eine Wohnung gefunden?«
»Noch nicht.«
»Es wird auch nicht leicht sein. Sieben Zimmer will sie haben, stimmt das? In Moskau? Wo gibt es für zwei Personen eine so große Wohnung? Sie sollten sich eine Datscha bauen. Die paar Rubelchen merkt sie gar nicht.«
»Wir werden einfach leben«, sagte Lobow, mühsam beherrscht. »Wir machen uns nichts aus Luxus. – Der Oberst wartet auf mich!«
»Sofort.« Ljuba drückte auf einen Knopf und sagte mit ›amtlicher‹ Stimme: »Der Genosse Lobow.« Da keine Antwort erfolgte, nickte sie zur Tür. »Gehen Sie hinein. Er ist
Weitere Kostenlose Bücher