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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Flammen, begann damit die Haare und den sehr langen, ganz weißen Bart des Vaters zu versengen. Das roch nach stinkigem Fett, das knisterte mit kleinen gelben Flammen. Plötzlich schreckten sie mit sperrangelweit offenem Mund zurück, als habe eine kalte Hand sie an den Haaren gezogen. Im gräßlichen Schmerz der Verbrennungen hatte der noch nicht ganz erstickte Vater soeben die Augen geöffnet, und diese greuliche schwarze Maske mit der großen zerbrochenen Nase, mit dem in Brand gesetzten Haar starrte sie an mit einem gräßlichen Ausdruck von Schmerz und Haß. Dann zerfiel das ganze Gesicht, er starb.
    Wie von Sinnen, stieß Geierkopf ein wütendes Gebrüll aus, da hörte er, wie an der Tür jemand in Schluchzen ausbrach. Das waren die beiden Kleinen, Laure und Jules, die dort im Hemd standen, weil der Lärm sie aufgeweckt und die große Helligkeit in dieser offenstehenden Stube sie herbeigelockt hatte. Sie hatten alles gesehen, sie heulten vor Entsetzen.
    »Himmelsakrament, so ein Gewürm!« schrie Geierkopf und stürzte sich auf sie. »Wenn ihr schwatzt, erwürge ich euch ... Da, damit ihr das nicht vergeßt!« Mit ein paar Ohrfeigen hatte er sie zu Boden geworfen.
    Ohne eine Träne rappelten sie sich wieder auf, sie rannten davon, um sich auf ihrer Matratze zusammenzurollen, wo sie sich nicht mehr rührten.
    Und er wollte nun damit Schluß machen, er zündete gegen den Willen seiner Frau den Strohsack an. Glücklicherweise war der Raum so feucht, daß das Stroh nur langsam brannte. Dicker Rauch stieg auf, halb erstickt öffneten sie die Luke. Dann schlugen die Flammen los, wuchsen bis zur Decke empor. Der Vater krachte darunter, und der unerträgliche Geruch verstärkte sich, der Geruch gebratenen Fleisches. Die ganze alte Bleibe wäre wie eine Strohmiete in Flammen aufgegangen, wenn das Stroh beim Brodeln der Leiche nicht wieder angefangen hätte zu qualmen. Auf den Querschienen der eisernen Bettstelle lag nur noch dieser halb verkohlte, entstellte, unkenntliche Kadaver. Eine Ecke des Strohsacks war unversehrt geblieben, ein Zipfel des Lakens hing noch herab.
    »Komm, wir ziehen Leine«, sagte Lise, die trotz der großen Hitze von neuem mit den Zähnen klapperte.
    »Warte mal«, antwortete Geierkopf, »man muß das alles ein bißchen zurechtmachen.« Ans Kopfende des Bettes stellte er einen Stuhl, auf dem er die Kerze des Alten umriß, um den Eindruck zu erwecken, sie sei auf den Strohsack gefallen. Er war sogar so durchtrieben, Papier auf dem Fußboden in Flammen aufgehen zu lassen. Man würde die Asche finden, er würde erzählen, daß der Alte am Tage zuvor seine Wertpapiere entdeckt und behalten habe. »Das ist geschafft, nun ins Bett!«
    Geierkopf und Lise rannten, drängelten sich hintereinander, plumpsten wieder in ihr Bett. Aber die Laken waren eiskalt geworden, in einer heftigen Umarmung nahmen sie einander wieder, um es warm zu haben. Als der Tag anbrach, schliefen sie noch nicht. Sie sagten nichts, sie zuckten hin und wieder zusammen und hörten danach ihr Herz in heftigen Schlägen pochen. Die Tür zur Nebenstube, die offengeblieben war, war ihnen lästig, und der Gedanke, sie zuzumachen, beunruhigte sie noch mehr. Schließlich dösten sie ein, ohne einander loszulassen.
    Am Morgen kam bei den verzweifelten Rufen von Geierkopfs die Nachbarschaft angerannt. Die Frimat und die anderen Frauen stellten fest, daß die Kerze umgerissen war, der Strohsack halb zerstört, die Papiere zu Asche verbrannt. Alle schrien, das hätte ja eines Tages so kommen müssen mit diesem wieder kindisch gewordenen Alten, sie hätten es hundertmal vorausgesagt. Und ein Glück noch, daß das Haus nicht mit ihm zusammen abgebrannt war.

Kapitel VI
    Zwei Tage danach, gerade an dem Morgen, an dem Vater Fouan beerdigt werden sollte, erwachte Jean, der matt war von einer schlaflosen Nacht, sehr spät in der kleinen Kammer, die er bei Lengaigne bewohnte. Er war noch nicht wegen des Prozesses, den er zu führen gedachte und der allein ihn hinderte, Rognes zu verlassen, nach Châteaudun gegangen; jeden Abend verschob er die Angelegenheit auf den nächsten Tag und wurde noch unschlüssiger, je mehr sich sein Zorn legte; und ein letzter Kampf hatte ihn wach und in fiebriger Ruhelosigkeit gehalten, weil er nicht wußte, welche Entscheidung er treffen sollte.
    Diese Geierkopfs! Viehische Meuchelmörder, Totschläger, denen ein ehrbarer Mann hätte den Kopf abhauen lassen müssen! Bei der ersten Nachricht vom Tode des Alten hatte er den

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