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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sehr zu weinen; übrigens kam sie nur in dem Gedanken angerannt, sich Zerstreuung zu verschaffen, denn sie hatte nichts zu beanspruchen von der Erbschaft. Die Gefahr begann, als Fanny und Delhomme erschienen. Delhomme war gerade an Stelle von Macqueron zum Bürgermeister ernannt worden, und seine Frau war deshalb so aufgeblasen vor Stolz, daß sie geradezu aus ihrer Haut barst. Sie hatte den Schwur gehalten, ihr Vater war gestorben, ohne daß sie sich mit ihm ausgesöhnt hatte; und die ihrer Empfindlichkeit zugefügte Wunde blutete immer noch so sehr, daß ihre Augen angesichts des Leichnams trocken blieben. Aber Schluchzen war zu hören, als Jesus Christus eintraf, der sehr besoffen war. Er benetzte die Leiche mit seinen Tränen, er plärrte, das sei ein Schlag, von dem er sich nicht wieder erholen würde.
    In der Küche hatte Lise jedoch Gläser und Wein zurechtgestellt; und man redete. Die vom Hausverkauf herrührenden hundertfünfzig Francs Jahreszinsen wurden sofort außer Betracht gelassen; denn es war vereinbart worden, daß sie bei demjenigen der Kinder verbleiben sollten, das den Vater in seinen letzten Tagen gepflegt hatte. Allein, da war noch der Schatz. Geierkopf erzählte also seine Geschichte, wie der Alte die Wertpapiere wieder unter der Marmorplatte der Kommode weggenommen hatte und wie das Ganze wohl dadurch gekommen war, daß er sie sich nachts zum Vergnügen angesehen hatte und dabei sein Bart in Brand geraten war; wie man sogar die Asche der Papiere gefunden habe: das könnten Leute bezeugen, die Frimat, die Bécu und andere. Während dieses Berichtes schauten ihn alle an, ohne daß er, der sich an die Brust schlug und schwor, das stimme, so wahr ihn die Sonne bescheine, aus dem Konzept kam. Offensichtlich wußte die Familie Bescheid, und er scherte sich einen Dreck darum, vorausgesetzt, daß man ihm nicht zusetzte und er das Geld behielt.
    Mit der ihr eigenen Offenheit, der Offenheit einer stolzen Frau, machte Fanny übrigens ihrem Herzen Luft und nannte die Geierkopfs Mörder und Diebe: jawohl, sie hatten den Vater in Flammen aufgehen lassen, sie hatten ihn bestohlen, das sprang einem ja in die Augen!
    Darauf antworteten Geierkopfs heftig, mit Beleidigungen, mit gräßlichen Anschuldigungen. Ach so, man wolle, daß ihnen Schlimmes widerfahre! Und die vergiftete Suppe, an der der Alte bei seiner Tochter beinahe verreckt wäre? Sie würden lang und breit was über die anderen reden, wenn man was über sie rede. Jesus Christus hatte vor Traurigkeit wieder angefangen zu weinen, zu heulen, als er erfuhr, daß dergleichen Missetaten überhaupt möglich waren. Himmelsakrament! Sein armer Vater! Gab es denn wirklich Söhne, die schuftig genug waren, ihren Vater zu braten!
    Die Große ließ Bemerkungen fallen, die den Streit schürten, als ihnen der Atem ausging.
    Da schloß Delhomme, der besorgt war über diesen Auftritt, Türen und Fenster. Er hatte von nun an seine Amtsstellung zu wahren, er war übrigens immer für vernünftige Lösungen. Deshalb erklärte er schließlich, daß man so etwas nicht sagen dürfe. Man sei zu weit gegangen, wenn die Nachbarn das hörten! Man würde vor Gericht kommen, und die Guten würden vielleicht mehr dabei verlieren als die Bösen.
    Alle schwiegen; er hatte recht, das brachte nichts ein, wenn man seine dreckige Wäsche vor den Richtern wusch. Geierkopf jagte ihnen Angst und Schrecken ein, der Räuber war schon imstande, sie zugrunde zu richten. Und in der Hinnahme des Verbrechens, in dem freiwillig über den Mord und den Diebstahl gebreiteten Schweigen lag im Grunde noch das Einverständnis der Bauern mit den Aufrührern auf dem Lande, den Wilderern, den Tötern der Jagdhüter, vor denen sie Angst hatten und die sie nicht auslieferten.
    Die Große blieb noch, um den Kaffee vom Vortage zu trinken, die anderen brachen auf, unhöflich, wie man von Leuten fortgeht, die man verachtet. Aber Geierkopfs lachten darüber, da sie ja doch das Geld und obendrein jetzt die Gewißheit hatten, daß man sie nicht mehr quälen werde. Lise fand ihre laute Redeweise wieder, und Geierkopf wollte die Dinge gut erledigen, bestellte den Sarg, begab sich auf den Friedhof, um den Platz zu sichern, wo man die Grube schaufeln sollte. Es muß gesagt werden, daß in Rognes die Bauern, die sich zu Lebzeiten nicht ausstehen konnten, nicht gern Seite an Seite schlafen, wenn sie tot sind. Da aber die Gräber der Reihe nach zugewiesen werden, geht alles auf gut Glück. Deshalb verursacht es der

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