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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sein einziger Sohn, war 1804 geboren worden. Er hatte erbärmliche Studien am Gymnasium in Châteaudun begonnen. Die Erde versetzte ihn in Leidenschaft, er zog es vor, zurückzukehren, um seinem Vater zu helfen, und enttäuschte damit einen weiteren Traum des Alten, der angesichts des trägen Glücks am liebsten alles verkauft hätte, um seinem Sohn in irgendeinem freien Beruf zum Zuge zu verhelfen. Der junge Mann war siebenundzwanzig Jahre alt, als er durch den Tod des Vaters Herr auf La Borderie wurde. Er war für die neuen Methoden; als er sich verheiratete, galt seine Hauptsorge nicht dem Streben nach Grundbesitz, sondern dem Streben nach Geld, denn seiner Ansicht nach mußte es dem Kapitalmangel zugeschrieben werden, wenn das Gehöft dahinkümmerte; und er fand die begehrte Mitgift, eine Summe von fünfzigtausend Francs, die ihm eine Schwester des Notars Baillehache mit in die Ehe brachte, ein reifes Fräulein, das fünf Jahre älter als er, ungemein häßlich, aber sanftmütig war. Da begann zwischen ihm und seinen zweihundert Hektar ein langes Ringen, das zuerst vorsichtig, nach und nach infolge der Rechenfehler fieberhaft ausgetragen wurde, ein Ringen zu jeder Jahreszeit, an jedem Tag, das ihm, ohne ihn zu bereichern, gestattet hatte, das üppige Leben eines dicken sanguinischen Mannes zu führen, der entschlossen war, niemals seine Begierden zu zügeln. Seit einigen Jahren standen die Dinge noch schlechter. Seine Frau hatte ihm zwei Kinder geschenkt: einen Jungen, der sich aus Haß gegen die Landwirtschaft freiwillig zum Militär gemeldet hatte und der gleich nach Solferino zum Hauptmann befördert worden war; ein feingliedriges und reizendes Mädchen, seine große zärtliche Liebe, die Erbin von La Borderie, da sein undankbarer Sohn auf Abenteuer aus war. Zuerst verlor er mitten in der Ernte seine Frau. Im folgenden Herbst starb seine Tochter. Das war ein furchtbarer Schlag. Der Hauptmann ließ sich nicht einmal mehr ein einziges Mal im Jahr blicken, der Vater fand sich unvermittelt allein, die Zukunft war ihm hinfort verschlossen, und ihm fehlte der Ansporn, für sein Geschlecht zu arbeiten. Aber wenn die Wunde auch in der Tiefe blutete, er blieb auf den Beinen, blieb heftig und herrschsüchtig. Angesichts der Bauern, die über seine Maschinen grinsten, die den Ruin dieses Bürgers herbeiwünschten, der verwegen genug war, sich in ihrem Beruf zu versuchen, wurde er starrsinnig. Und was sollte er übrigens tun? Er wurde immer mehr der Gefangene seiner Erde: die angehäufte Arbeit und das hineingesteckte Kapital schlossen ihn jeden Tag enger ein, fortan war kein anderer Ausweg möglich, als durch ein Unheil da herauszukommen.
    Hourdequin mit seinen vierschrötigen Schultern und seinem breiten hochroten Gesicht, der von seiner bürgerlichen Verfeinerung nur kleine Hände zurückbehalten hatte, war stets ein despotisches Mannestier für seine Mägde gewesen. Sogar als seine Frau noch da war, wurden alle genommen; und das ganz natürlich, ohne weiteres, wie eine ihm zustehende Sache. Wenn sich auch armer Bauern Töchter, die schneidern gehen, mitunter retten, so entgeht doch keine von denen, die sich auf den Gehöften verdingen, dem Mann, den Knechten oder dem Herrn. Frau Hourdequin lebte noch, als Jacqueline auf La Borderie aus Barmherzigkeit eingestellt wurde: Vater Cognet, ein alter Trunkenbold, verprügelte sie, und sie war so ausgemergelt, so schäbig, daß man durch ihre Lumpen hindurch die Knochen im Leibe sah. Obendrein hielt man sie für so häßlich, daß die Bengels hinter ihr her johlten. Man hätte sie auf keine fünfzehn Jahre geschätzt, obwohl sie fast achtzehn war. Sie half der Magd, man beschäftigte sie mit niederen Verrichtungen, mit Geschirrspülen, mit Hofarbeit, mit dem Säubern der Tiere, wobei sie, die ohnehin schon dreckig war, vollends verschmutzte. Nach dem Tode der Hofbesitzersfrau jedoch schien sie sich etwas zu mausern. Alle Knechte legten sie um im Stroh; kein Mann kam auf das Gehöft, der ihr nicht über den Bauch rutschte; und eines Tages, als sie den Herrn in den Keller begleitete, der sie bis dahin verschmäht hatte, wollte auch er von diesem unsauberen häßlichen Fratz kosten; aber sie wehrte sich wütend, kratzte ihn, biß ihn so sehr, daß er gezwungen war, sie loszulassen. Von da an war ihr Glück gemacht. Sie leistete sechs Monate lang Widerstand, gab sich dann allmählich hin und ließ ihn um jedes Stückchen ihrer nackten Haut betteln. Vom Hof war sie mit einem Sprung

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