Die Erfinder Des Todes
konnte Joanne ihren professionell ernsten Gesichtsausdruck nicht mehr recht aufrechterhalten und schaute zu Steve hoch.
»Es ist nicht so merkwürdig, wie es sich anhört«, sagte sie abwehrend. »Diese alten viktorianischen Friedhöfe können recht attraktiv sein, weißt du. Besonders, wo es sonst nicht so viel Grün gibt.«
Steve schüttelte den Kopf. »Ich hab ja gar nichts gesagt, Joanne.
Mein Freund Kit findet, Highgate Cemetery ist die beste Quelle der Inspiration, die er kennt. Natürlich ist er kein Cop ...«
»Jedenfalls ging sie mit dem Baby auf dem Friedhof spazieren, als plötzlich ein Kerl in Lycra-Shorts und -Oberteil mit Fahrradhelm und Schutzbrille auf sie zusprang. Er hatte ein Messer, das sie für eines dieser teuren Küchenmesser hielt, die aus einem einzigen Stück Metall gemacht sind. Sie wehrte sich ziemlich heftig und bekam siebzehn Stiche ab für ihre Mühe. Sie sah ihn hinterher auf einem Mountainbike wegfahren. Es ist die beste Beschreibung, die wir haben.«
»Weiße Hautfarbe, männlich, zwischen einem Meter achtundsiebzig und einem Meter dreiundachtzig, schlank, dunkle Haare, blass«, las Steve lustlos. »Na ja, das macht die Hälfte der Metropolitan Police zu Verdächtigen.«
»Nicht die Hälfte, Chef. Ich nehme an, es sind nicht mehr als zehn Prozent, die einigermaßen eine Flucht auf einem Rad zu Stande bringen würden.«
Steve verzog das Gesicht zu einer Grimasse und schaute seine Zigarre an. »Du hast wahrscheinlich Recht. Es ist interessant, dass die Beschreibung nicht auf Francis Blake passt. Er ist zu klein, und ich glaube nicht, dass irgendjemand ihn als schlank beschreiben würde. Er ist viel zu breit in den Schultern. Okay, hören wir also den Rest.«
»Nummer fünf war eine Putzfrau in einer Schule in Crouch End.
Sie ging an einem Freitagabend vor achtzehn Monaten als Letzte aus dem Gebäude. Er wartete auf sie. Als sie abschloss, kam er von hinten und hielt ihr ein Messer an die Kehle. Er zog sie in die Büsche am Weg und vergewaltigte sie. Sie hatte keine Kinder dabei, aber ich habe diesen Fall dazugenommen, weil er sich auf dem Schulhof einer Grundschule abspielte und er ebenfalls auf einem Fahrrad gekommen war. Was meinst du?«
»Es lohnt sich, ihn erst einmal in der Gruppe beizubehalten. Und der letzte Fall?«
»Also der ist wirklich interessant. Nur fünf Wochen vor Susan Blanchards Ermordung. Und es war ein bisschen weiter weg, in Hatfield – aber in einem Park. Ein Kindermädchen war mit dem kleinen Jungen, um den sie sich kümmert, unterwegs in dem be-waldeten Teil des Parks. Sie wurde zu Boden geworfen und glaubt, sie sei einige Minuten bewusstlos gewesen. Als sie wieder zu sich kam, war sie in die Büsche gezerrt worden, und er vergewaltigte sie. Er hielt ihr ein Messer an die Kehle und sagte ihr, er werde sie abstechen wie ein Schwein, wenn sie einen Laut von sich gebe.«
»Mist«, schimpfte Steve leise. »Warum haben wir das nicht aufgegriffen, als Susan Blanchard umgebracht wurde?«
Joannes Mund wurde zu einem geraden, ärgerlichen Strich.
»Hauptsächlich weil die Kollegen in Hertfordshire uns nichts darüber gesagt haben.«
»Warum zum Teufel nicht? Es ist ja nicht so, als hätten wir den Mord an Blanchard geheim gehalten! Er war überall in den Medien. Ist dort niemandem aufgefallen, dass es vielleicht derselbe Kerl gewesen sein könnte?«
»Offenbar nicht. Der Grund ist, dass sie damals einen der Ihren im Verdacht hatten. Sie hatten einen schon angeklagten Vergewaltiger auf Kaution freigelassen und gingen davon aus, dass er es war, der zum letzten Mal vor seinem Abgang noch mal an >einer Pflaume naschen< wollte, wie der ermittelnde Kollege es mir so nett erklärt hat«, fügte Joanne bissig hinzu.
»Als Susan ermordet wurde, war unser Freund schon im Knast und hatte sieben Jahre für drei Vergewaltigungen auf dem Buckel. So haben sie sich erst gar nicht die Mühe gemacht, es uns mitzuteilen, weil er es ja nicht gewesen sein konnte, nicht wahr?« Ihre Stimme war voller Sarkasmus.
»Na, toll.« Steve drückte seinen Zigarrenstummel aus und seufzte. »Hat ihr Vergewaltiger dann auch die Sache mit dem Kindermädchen zugegeben?«
»Offenbar ja. Aber alle seine anderen Vergewaltigungen waren spätabends in kleinen, versteckten Straßen, und keines seiner Opfer war blond. Die Kollegen in Hertfordshire haben ihm geglaubt, aber ich nehme es ihm nicht ab.«
»Nein, ich auch nicht. Aber vermutlich gab es damals keinen guten Grund, ihm nicht zu
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