Die Erfinder Des Todes
posttrau-matische Stresstherapie zu machen, fühle ich mich verpflichtet zu tun, was der Experte befiehlt, wie töricht und unsicher ich mich dabei auch fühlen mag.
Es ist erstaunlich, wie wenig wir verstehen, was unsere Reaktionen auslöst. Selbst ausgebildeten Fachleuten wie mir fehlt das Verständnis, wenn wir mit unseren eigenen Motivationen zu tun haben. Aber ich habe jetzt erkannt, dass dein Tod und die Art und Weise, wie er geschehen ist, mir immer gegenwärtig geblieben sind, wie sehr ich mir auch vorzumachen versuchte, es sei nicht so. Sein Vermächtnis sind Schmerz und Schuldgefühle gewesen. Ich fühlte mich schuldig, weil ich dich ermutigt hatte, nach St. Andrews zu gehen, anstatt zu mir nach London zu kommen. Ich fühlte mich schuldig, weil ich weiterlebte und du nicht. Ich war deine ältere Schwester und hatte die Aufgabe, dich zu beschützen, und habe versagt. Ich fühlte mich schuldig, weil ich es nicht schaffte, die Polizei so zu drängen, dass sie deinen Mörder fand. Und ich fühlte mich schuldig, weil ich das nicht aufhalten konnte, was mit Dad geschah, nachdem du gestorben bist.
Außerdem war da natürlich der Schmerz, dich verloren zu haben. An jedem Meilenstein des Lebens wird mir wieder bewusst, dass du nicht mehr da bist. Ich frage mich, was du erreicht hättest und wie dein Leben verlaufen wäre. Ich sehe, wie Caroline sich verändert und entwickelt, Fehler begeht und bei anderen Dingen alles richtig macht. Dann denke ich daran, wie anders du diese Dinge angepackt hättest.
Manchmal sehe ich Kit an und wünsche mehr als alles auf der Welt, dass ihr zwei euch kennen gelernt hättet. Ich weiß, ihr hättet einander gemocht. Die zwei Menschen auf der Welt, die ich am meisten liebe. Wie könnte es anders sein? Ich spüre die Zeit, die wir nicht zusammen verbringen konnten, das Glück, das uns verloren gegangen ist, und der Schmerz zerreißt mich.
Du fehlst mir so sehr, Lesley. Bei so vielen meiner besten Erinnerungen stehst du im Mittelpunkt. Du hattest die Gabe des Lebensmuts, du könntest Güte geben. Ich war so stolz auf dich, und ich habe es dir nie gesagt. Ich habe dich so gern gehabt und es dir nie gesagt. Du bist gestorben, ohne zu wissen, wie sehr du geliebt wurdest, und auch das bedeutet für mich bitteres Bedauern. Weil die Schuld und der Schmerz so stark sind und schon so lange anhalten, hatte ich jedes Gefühl dafür verloren, welcher Segen du für mich warst, als du noch am Leben warst.
Jetzt versuche ich, die guten Dinge aus der Erinnerung aus-zugraben und sie in den Vordergrund zu stellen, und hoffe, dass sie allmählich den Schmerz zudecken und ihn hindern, meine Weltsicht zu formen.
Wichtig für mich ist auch anzuerkennen, dass das andere Vermächtnis deiner Ermordung mein berufliches Leben ist.
Deinetwegen habe ich mich entschieden, diese Richtung einzuschlagen. Da ich bei dir versagt hatte, glaubte ich, alles in meiner Macht Stehende tun zu müssen, um zu verhindern, dass anderen Ähnliches passiert. Ich nehme an, ich suchte nach einer Art Wiedergutmachung.
Ich muss daher zugeben, dass Kits Rettung, als er vermisst wurde, meinem Unterbewusstsein wahrscheinlich als eine Gelegenheit erschien, mich selbst zu retten. Rückblickend glaube ich, ich hätte mehr tun können und müssen, um die Polizei zum Handeln zu zwingen. Aber auf einer anderen Ebene gebe ich jetzt zu, dass ich mir fast wünschte, sie würden mich abweisen, damit ich den Drahtseilakt allein ausführen musste.
Ich rechnete allerdings nicht damit, dass ich selbst Blut an den Händen haben und mich mit einer anderen Art von Schuld beladen würde.
Als ich sah, wie der Mann, den ich liebe, dem Tod ins Auge sah, waren alle diese Betrachtungen belanglos. Ich handelte einfach, ohne zu denken oder zu zögern, und tat das Einzige, was mir zu tun möglich war.
Aber nachts wache ich immer noch von dem Gewehrschuss und dem grauenvollen Anblick von Francis Blakes Kopf auf, der vor meinen Augen zu explodieren schien.
Die einzige wichtige noch unerledigte Sache ist nach Ansicht meines Therapeuten die Notwendigkeit, mich mit dir auszusöhnen. Darum geht es in diesem Brief. Ich musste begreifen, dass ich die Vergangenheit nicht ändern kann. Ich musste akzeptieren, dass das, was dir und uns als Familie geschehen ist, nicht in meiner Verantwortung, sondern in der Verantwortung des Mannes lag, der dir dein Leben genommen hat. Ich glaube, ich hatte Angst, dies vor mir selbst zuzugeben, weil ich dann keinen Grund mehr
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