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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sich versah, steckten seine Gelenke in Handschellen.
    »Wir haben Anweisung, Sie mitzunehmen, Kollege«, sagte Schröder, ein groß gewachsener Mann Mitte fünfzig. »Wir haben im Rathaus eine Art Leitstelle improvisiert, da gehen wir jetzt hin, und von dort aus können Sie gern bei Ihrer Dienststelle in München anrufen.«
    »Dieser Junge will sich umbringen, haben Ihnen das meine Kollegen nicht gesagt?«
    »Machen Sie doch keinen Aufstand, Kollege! Ihr Chef, Hauptkommissar Thon, hat uns informiert, wir haben ein Fax vorliegen, also kommen Sie! Sie sind suspendiert, Sie haben kein Recht, sich als Polizist auszugeben.«
    »Ich bin hierher gekommen, um einen Jungen mit dem Namen Raphael Vogel davor zu bewahren, Selbstmord zu begehen«, sagte Süden und stieß einen der Männer zur Seite. Die anderen beiden packten ihn von hinten und schoben ihn die Straße hinunter. »Und ich hab ihn gesehen, und er hat mich auch gesehen!«
    »Wir haben niemanden gesehen«, sagte Schröder. »Reißen Sie sich doch zusammen, Mann!«
    In der Gasse, in der Raphael verschwunden war und an der sie nun vorüberkamen, hielt sich außer einer Gruppe Jugendlicher, die Schlabberjeans und zerschlissene Turnschuhe trugen und unschlüssig herumstanden, kein Mensch auf.
     
    Der Westwind fegte die Wolken über den Himmel, doch Raphael achtete nur auf den Weg, den er ging. Er bemerkte nicht einmal die Schafe auf den Wiesen. Jetzt wusste er wieder, wo er war, und er fing an zu laufen, wie vorhin, und seine Haare wehten ihm ins Gesicht, und er wischte sie weg und lief immer schneller auf die Klippen zu. Wie leicht auf einmal alles war, wie leicht!
     
    »Bist du übergeschnappt, du Depp!«, schrie Süden ins Telefon. Die drei Polizisten, der Bürgermeister und der Kurdirektor standen im Rathaus um ihn herum und hörten ihm zu. Widerwillig hatten sie ihm die Handschellen abgenommen. Vorsichtshalber stellte sich Schröder nahe genug an die Tür, um jeden Fluchtversuch im Keim zu ersticken. »Sag denen, es geht um das Leben dieses Jungen, mir glauben sie das nicht, hast du mich verstanden, Volker? Was ist? Ich weiß genau, dass der Junge hier auf der Insel ist, ich hab ihn gesehen!«
    Wie einen Stein schleuderte er den Hörer auf den Tisch. Der Kurdirektor griff danach.
    »Ja? Hier ist Benicke, was schlagen Sie vor, Herr Thon?«
     
    Die Zeit war um, er durfte nicht länger tatenlos herumsitzen. August Emanuel Anz trank die Flasche aus, zog seine Jacke an und stieg die Treppe hinunter. Gerade, als er die Haustür öffnete, kam ihm ein Mann entgegen.
    »Entschuldigen Sie«, sagte der Mann und warf einen Blick auf ein Blatt Papier, das er in der Hand hielt. »Sind Sie August Anz aus München?«
    Anz schlug zu und rannte los.
    »Bleiben Sie stehen, Polizei!«, rief der Mann, zog seine Pistole und nahm die Verfolgung auf. »Bleiben Sie stehen, sonst muss ich schießen!«
    Anz verstand jedes Wort, aber er wollte nicht stehen bleiben, er hatte keine Zeit, er musste dem Jungen helfen, er hatte ihn im Stich gelassen, warum hatte er das getan, wieso hab ich das nicht gleich gemerkt, ich hab mir gedacht, dass da was nicht stimmt, so wie der mich angesehen hat, verflucht, bin ich dumm, ich bin wirklich doof, Raphael hat Recht, ich bin so doof …
    Es traf ihn wie ein Schlag, wie ein Schlag mit einer Spitzhacke. Im ersten Moment zuckte er nur zusammen, im zweiten Moment lag er schon auf dem Boden, knallte mit dem Gesicht voran auf den Asphalt und riss die Augen auf. Da beugte sich ein Mann über ihn, der Mann, der ihn vor der Tür angesprochen hatte. Woher kam das Blut vor seinem Gesicht? Der Mann hatte eine Pistole und schaute komisch, sehr komisch schaute der, ein junger Mann mit einem Schnauzbart, Gustl verstand nicht, was er sagte, die Fledermäuse nagten an seiner Kopfhaut, mit Zähnen wie Hauer.
    »Können Sie mich hören?«, fragte der Polizist.
    »Das ist jetzt aber blöd«, sagte August Anz. Dann verlor er das Bewusstsein.
     
    Der Schuss musste in unmittelbarer Nähe des Rathauses abgefeuert worden sein, denn der Widerhall war extrem laut. »Sie bleiben bei ihm!«, rief Kommissar Schröder einem seiner Kollegen zu. Dann rannten sie zu viert auf die Straße.
    Als sie an der Stelle ankamen, wo Anz auf dem Boden lag und der junge Polizist unter Schock hin und her rannte wie ein Tiger im Käfig, schlugen die Kirchenglocken dreimal. Schröder kniete sich neben Anz hin, der reglos dalag, und fühlte seinen Puls.
    »Er ist tot«, sagte er.
    Im Rathaus fanden sie

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