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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Sonne den Herbst. Komm mit mir, hab keine Angst, niemand sperrt dich je wieder in einen Keller, das versprech ich dir.
    Und die Trommelschläge hallen wider, und seine Hände überschlagen sich auf dem gespannten grauen Leder, und er nimmt Anlauf und springt über den Kreis aus Knochen. Er taumelt gegen die Wand und stolpert und fängt sich und schnappt nach Luft und dreht sich im Kreis und stößt einen Schrei aus, dass draußen die Tiere verstummen, und der Schrei hallt durch den Wald …
    … Und hörte sich von fern an wie das Röhren eines tödlich verwundeten Tieres. Und die drei jungen Männer, die bewaffnet mit Baseballschlägern und Messern um die Hütte schlichen, duckten sich, und einer ließ vor Schreck den Benzinkanister fallen, den er mitgebracht hatte. Sie kauerten unter dem Fenster und sahen sich an, und einer ließ die Klinge aus seinem Messer herausschnellen.
    Dann verstummte Tabor Süden, sank auf die Knie, kippte zur Seite, rollte sich wie ein Embryo zusammen und hoffte darauf, in den Tod entlassen zu werden. Aber sein Herz trommelte im Rhythmus seiner Hände weiter, die, taub geworden, in seinem Schoß lagen, nass von Schweiß wie sein ganzer lodernder Körper. Wieder hatte er sein Leben tauschen wollen, und wieder kehrte er zurück in die Gegenwart, die nach amerikanischem Tabak und getrockneten Pilzen, nach nasser Erde, Pflanzen und Kräutern roch und sein Exil war, in das er sich freiwillig zurückgezogen hatte. Und das er nie mehr verlassen würde, um noch einmal Polizist zu sein, der sich anmaßte, den Blumen des Bösen ein Lächeln abzuringen.
    Plötzlich spürte er etwas Weiches an seinen nackten Füßen, wie Federn, die ihn streiften, und er hob schwerfällig den Kopf. Um seine Waden huschte ein Eichhörnchen, hüpfte über seine Ferse, verharrte mit erhobenem buschigem Schwanz, und der Bauch leuchtete weiß in der Dämmerung; dann flitzte es das Bein bis zum Knie hinauf und sprang von dort zurück auf den Boden, wo es bis zur Tür lief und wie erstarrt innehielt. Draußen war ein Geräusch zu hören, das Knacken von Ästen und eine unverständliche Stimme.
    Er keuchte, rieb sich übers Gesicht, richtete seinen Oberkörper auf, schloss die Augen und tastete nach dem abgeschabten Emailletopf mit dem Regenwasser. Er goss den Topf über sich aus, ein kalter Schwall, der ihn dazu brachte, aufzustehen. Er schnallte den Gürtel mit der Trommel ab und legte sie auf den Tisch. Nachdem er sich hastig mit einem Handtuch trocken gerieben hatte, den Blick auf die Tür gerichtet, vor der das rotbraune Eichhörnchen hockte und ihn anstarrte, zog er seine speckige Wildlederhose an, ein weißes Hemd und Turnschuhe. Dann strich er sich die nassen Haare glatt nach hinten und atmete tief ein. Beinah wäre er erneut in Trance gefallen, so schwer und würzig hing der Pilzgeruch in der Hütte.
    »Jetzt!«, flüsterte Jossi, der älteste der drei jungen Burschen, der den Kanister trug.
    Mit voller Wucht ließen sich Ringo und Alfons gegen die Tür fallen und knallten mit dem Kopf dagegen: Sie ging nach außen auf. Jossi riss die Tür auf, und sie stürzten hinein. Zeit, sich zu orientieren, hatten sie nicht, und bevor Jossi dazukam, das Benzin auszuschütten, rammte ihm Süden sein Bein in den Bauch. Jossi schrie auf, ließ den Kanister fallen und stürzte. Die anderen beiden versuchten, Süden ins Gesicht zu schlagen, aber er wich ihnen aus. Sie hoben ihre Baseballschläger und trieben ihn in die Ecke. Das Benzin floss aus dem Kanister und sickerte in die Ritze.
    »Jetzt bist fällig, Chef!«, schrie Ringo. Er und Alfons waren Süden im Elektroladen begegnet.
    »Hast Schiss, Polyp?«, rief Ringo und ließ den Schläger kreisen.
    Jossi rappelte sich auf, nahm den Kanister und verteilte das Benzin in den Ecken. »Und gleich wird’s pfundig warm!«, sagte er und achtete darauf, dass kein Tropfen im Kanister blieb.
    Süden war zum Tisch zurückgewichen und machte jetzt einen Schritt auf die Feuerstelle zu, wo ein Schürhaken an der Wand lehnte.
    »Ich hab euch gesagt, ich will allein sein!«, sagte er.
    »Reg dich nicht auf, Polyp!«, sagte Ringo, holte aus und ließ den Schläger auf den Tisch krachen; eine Tasse und eine Schale mit Orangen fielen herunter.
    »Solche wie dich brauchen wir hier nicht!«, rief Jossi von der Tür.
    »Hier stinkt’s wie im Saustall!«, brüllte Alfons, der Süden am nächsten stand und seinen Schläger mit beiden Händen festhielt; er war der schmächtigste der drei und Südens

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