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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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dass ich mich rausgehalten hatte.
    Ich holte mir ebenfalls einen Kaffee, unterhielt mich mit den Wachleuten, fütterte die Hunde mit Kartoffelchips. Zeit loszufahren. Aber ohne seinen Cousin konnte Lolik nicht.
    *
    Er kam um die Ecke gebogen, schaute sich verzweifelt um und versuchte, die Hunde zu verscheuchen. Lolik hupte, Borja sah uns und rannte zum Auto. Die Hunde rannten ihm nach, die räudigen Schwänze eingezogen. Er machte die hintere Tür auf, sprang hinein. Er trug Anzug und Krawatte und ein grünes, ziemlich zerknittertes Hemd.
    – Borja, – sagte Lolik, – was soll die Scheiße?
    – Fuck, Ljoscha, – antwortete darauf Bolik, – halt deinen Rand.
    Nachdem er auch mich begrüßt hatte, holte Bolik ein paar CD s aus der Jackentasche.
    – Was ist das? – fragte ich.
    – Ich hab uns ein bisschen Musik gebrannt, – sagte Bolik. – Für unterwegs.
    – Aber ich hab meinen eigenen Player, – antwortete ich.
    – Kein Problem, dann hören eben Lolik und ich.
    Ljoscha verzog das Gesicht.
    – Lolik, – lachte ich, – was ist, entscheidet jetzt schon dein Cousin, was für Musik du hörst?
    – Er entscheidet überhaupt nichts, – antwortete Lolik beleidigt.
    – Was ist es denn? – erkundigte ich mich.
    – Parker.
    – Nur Parker?
    – Ja. Zehn CD s. Hab sonst nichts Gutes gefunden, – erläuterte Bolik.
    – Arschloch, – sagte Lolik darauf, und wir fuhren los.
    *
    Der VW erzitterte von der Musik wie eine Konservenbüchse, auf die man mit einem Stecken schlägt. Borja auf dem Rücksitz lockerte den Knoten seiner Krawatte und musterte angestrengt die Plattenbauten. Nachdem wir das Traktorenwerk und den Basar hinter uns gelassen hatten, kamen wir endlich auf die Umgehungsstraße und verließen die Stadt in südöstlicher Richtung. Am Kontrollpunkt standen Verkehrspolizisten. Einer schaute träge in unsere Richtung und wandte sich, als er nichts Interessantes entdecken konnte, wieder seinen Kollegen zu. Ich versuchte, uns mit seinen Augen zu sehen. Ein schwarzer VW , Geschäftsfreunden abgekauft, Anzüge von der Stange, Schuhe aus der Kollektion des vergangenen Jahres, Uhren aus dem Ausverkauf, Feuerzeuge, die einem die Kollegen zum Geburtstag geschenkt hatten, Sonnenbrillen aus dem Supermarkt: solide, günstige Sachen, nicht zu abgetragen, nicht zu bunt, nichts Überflüssiges, nichts Besonderes. Keine Lust, solchen Heinis einen Strafzettel zu verpassen.
    *
    Rechts und links der Straße erhoben sich grüne Hügel, der Mai war warm und windig, Vögel flogen von Feld zu Feld und tauchten als schreiende Schwärme in die Luftströme ein. Vor uns am Horizont leuchteten helle Hochhäuser, über denen rot die Sonne brannte wie ein heißer Basketball.
    – Wir müssen tanken, – sagte Lolik.
    – Gleich kommt eine Tankstelle, – antwortete ich.
    – Und was trinken, – ergänzte Boliks Stimme.
    – Frostschutzmittel, – schlug sein Cousin vor.
    An der Tanke gingen Borja und ich in den Laden und holten Kaffee, und während Lolik tankte, setzten wir uns draußen an einen der Plastiktische. Hinter dem Maschendraht begann ein Maisfeld. Das Maigrün, satt und klebrig, stach ins Auge und verätzte die Netzhaut. Auf dem Parkplatz drängten sich ein paar Laster, deren Fahrer offenbar gerade ein Nickerchen machten. Borja trat an den äußersten Tisch, nahm einen Plastikstuhl, wischte ihn mit einem Papiertüchlein ab und setzte sich vorsichtig. Ich setzte mich auch. Kurz darauf kam Lolik.
    – Alles okay, – sagte er, – wir können fahren. Wie weit noch?
    – Knapp zweihundert Kilometer, – antwortete ich. – In ein paar Stunden sind wir da.
    – Was hörst du? – fragte Lolik und zeigte auf meinen Player, den ich auf den Tisch gelegt hatte.
    – Alles Mögliche, – antwortete ich. – Warum kaufst du dir nicht auch so einen?
    – Ich hab einen im Auto.
    – Dann hör eben, was dein Cousin so mitbringt.
    – Die Musik, die ich mitgebracht habe, ist okay, – erklärte Bolik beleidigt.
    – Ich höre lieber Radio, – fügte Ljoscha von sich aus hinzu.
    – An deiner Stelle würde ich mich nicht auf seinen Musikgeschmack verlassen, – sagte ich zu Lolik. – Man muss die Musik hören, die man wirklich mag.
    – Ach Quatsch, Hermann, – widersprach Bolik. – Man muss sich aufeinander verlassen. Stimmt’s, Ljoscha?
    – Mhm, – antwortete Lolik unsicher.
    – Gut, – sagte ich, – meinetwegen. Ihr könnt hören, was ihr wollt.
    – Du bist zu misstrauisch, Hermann – fügte Bolik hinzu. – Vertraust

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