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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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frisch gewaschener und keinesfalls nach Erbrochenem riechender Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe.«
    Stattdessen frage ich, Böses ahnend: »Welcher Teppich?«
    »Ähm, der im Treppenhaus. Von Inri an aufwärts. Tut mir leid.«
    Inri ist ein riesengroßes Kreuz mitsamt lebensgroßem Jesus, das bei uns auf halber Strecke im Treppenhaus hängt.
    Entsetzt springe ich auf und sehe nach dem Rechten. Was sich meinen Sinnesorganen jetzt darbietet, entzieht sich jeder Beschreibung. Mein Sohn hat es geschafft, nicht nur auf jede einzelne Stufe des Treppenhauses, sondern auch noch in den Aufzug zu kotzen.
    »Tut mir echt leid, Mama.«
    »Och«, sage ich leichthin und mache eine wegwerfende Handbewegung, doch in Wahrheit möchte ich mich entleiben. Aber wie? Inri, steig mal eben runter und lass mich dran.
    »Ich wollte es noch bis zum Gästeklo schaffen, aber da hing so ein Mantel, und da habe ich die Tür nicht aufgekriegt …«
    Nein. Bitte. Das darf doch alles nicht wahr sein!
    »Ich glaube, ich geh dann lieber«, sagt Siegfried entschlossen. Diesmal kann und will ich ihn auch nicht daran hindern. Er drückt mir mitleidig die Hand, schaut mir dabei tief in die Augen, und ich senke schnell den Blick. Mit spitzen Fingern pflücke ich seinen dunkelblauen Tuchmantel von der Gästeklotür.
    »Äh, den gebe ich natürlich in die Reinigung.«
    Alex lehnt leichenblass an der Wand. »Ich glaube, es geht wieder los.« Er torkelt davon. »War’ne lange Nacht«, höre ich ihn noch rülpsen. »Maturaball vom Mädchengymnasium!«
    Ja, die Österreicher feiern ihr Abitur, bevor sie es überhaupt
bestanden haben. Mit Exzessen, die erst im Morgengrauen so richtig losgehen. Völlig seltsame Sitten gelten hier.
    »Sie glauben gar nicht, wie peinlich mir das ist …« Die Schamesröte schießt mir ins Gesicht. Ich spüre ein Brennen, als hätte mir jemand ein Feuerzeug daran gehalten.
    »Wir übernehmen selbstverständlich die Kosten.«
    »Sie haben wirklich ganz schön Stress, was?« Siegfried nimmt mir den Mantel aus der Hand, verzichtet allerdings darauf, ihn anzuziehen, sondern rollt ihn auf links zusammen. »Haben Sie mal ein Sackerl?«
    »Ja, natürlich.« Mit zitternden Knien wanke ich in die Küche, wo mein Sohn sich gerade würgend über die Spüle beugt. Leider muss ich genau unter der Spüle eine Küchenschranktür öffnen, um an die Plastiktüten zu kommen.
    Siegfried steht abwartend im Flur und betrachtet interessiert die Kinderfotos von früher, die dort gerahmt an der Wand hängen. Meine süßen Kleinen mit weißen Krägelchen und dunklem Anzug bei der Kommunion, mit Kerze und einem geradezu heiligen Lächeln. Mit und ohne Oma, wahlweise mit Jochen, von dem ich schon lange getrennt lebe.
    »Bitte schicken Sie mir die Rechnung«, flehe ich. »Ohne Mantel ist es doch viel zu kalt. Wollen Sie vielleicht meine Strickjacke …« Doch Siegfried stakst bereits wie ein Storch durchs Treppenhaus. »Und benutzen Sie nicht den Aufzug!«, rufe ich ihm noch hinterher.

4
    Wenige Tage später schlendere ich gerade mit meinen prall gefüllten Einkaufstüten von Billa nichtsahnend durch die Linzergasse, als mir Siegfried im blauen Tuchmantel begegnet. Er schiebt sein Fahrrad und hält mit der freien Hand sein Handy ans Ohr. Bitte, lieber Gott, mach, dass er mich nicht erkennt. Ich versuche mich unsichtbar zu machen, indem ich, einen Schaufensterbummel vortäuschend, meine Nase an der Glasscheibe eines Fotogeschäfts platt drücke. Ein altes Männlein im weißen Kittel hantiert darin umständlich herum. Im Schaufenster stehen viele goldgerahmte Fotografien von mir unbekannten Menschen, die ich anstarre, als wären sie siamesische Siebenlinge. Hinter mir klappt gerade Siegfried sein Handy zu. Ich sehe es im spiegelnden Glas des Schaufensters.
    Warum geht er denn nicht weiter? Ich bin doch unsichtbar!
    Ich schaue angespannt auf das fein gerahmte Bild eines griechischen Gottes und versuche, mich total auf dieses Porträt zu konzentrieren. Der Typ sieht wirklich umwerfend gut aus, er hat Grübchen, weil er lächelt, und seine schwarz glänzenden, halblangen Haare sind voll und dunkel. Meine Güte, ist der schön. So ein toller Mann! Ich stelle mir vor, dass ich ein Date mit ihm habe, er mich mit seinen umwerfend strahlenden Augen ansieht und sagt, dass ich heute Abend ganz
bezaubernd aussehe. Dass er mir ein Glas Wein reicht, wir plaudern und lachen und dann Arm in Arm über den Makartsteg bei Vollmond nach Hause gehen. Dass wir uns vor der

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