Die Erfolgsmasche
letztlich gelungen, meine Familie wieder zusammenzuführen, genau wie dem kleinen Protagonisten Florian Wartberg in meinem Musical. Dass mein Leben nun in meinem eigenen Musical unsterblich wird, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Die Bewunderung und Treue, die mein Publikum mir seit fünfzig Jahren entgegenbringt, wird in diesem meinem Lebenswerk ihren Höhepunkt erleben. Ja, man kann wirklich von einem multimedialen Orgasmus sprechen.«
»Hä?«, sage ich wieder gereizt, und Richard flüstert mir etwas ins Ohr, das hier niemanden etwas angeht. Ich kichere und werde rot. Werner Gern schaut zu uns hinüber und grinst. Von wegen zwei Einzelzimmer, wird er sich denken.
»Meine Fernsehshows, meine Schallplatten, später dann die CDs und DVDs, meine Internetauftritte, meine ausverkauften Tourneen und jetzt auch noch: mein Musical! Mein Musical, das alle meine Welterfolge in einer zweistündigen Show vereint!« Er wird von tosendem Applaus unterbrochen. »Ich gehe davon aus, dass es bis an mein Lebensende jeden Abend ausverkauft sein wird. Denn es ist mein Werk. Mein Lebenswerk. Zeigen Sie mir Ihre Treue. Ich werde Ihnen auch treu sein. Und das ist ein Versprechen.«
Die Leute, hauptsächlich natürlich Frauen, toben und klatschen und kreischen vor Begeisterung. Es ist dieselbe Zielgruppe wie die von Sebastian Richter. Es sind die Frauenliebe-und-Leben -Leserinnen. Das hatte Werner Gern ja klar erkannt, als er mir … Entschuldigung, Sebastian Richter, den Auftrag für das Musical gab.
Erst jetzt fällt mir auf, dass viele von ihnen T-Shirts mit dem Tom-Konrad-Konterfei tragen. Sie schwenken die dazupassenden Fähnchen und fallen sich weinend in die Arme. Werner Gern schüttelt Tom Konrad kraftvoll die Hand und redet dabei auf ihn ein. Zeigt er etwa auf … uns? Ich meine, auf … Richard? Ich bin wie elektrisiert.
»Ach so«, sagt Tom Konrad schließlich leicht unwillig in den allgemeinen Lärm hinein, und seine Stimme hallt Sekundenbruchteile später auf dem Platz vor dem Musical-Palast wider. »Die Idee zu dieser Geschichte … falls das noch von Belang ist, die hatte ein junger, bisher völlig unbekannter Autor.«
Er schaut sich betont suchend um, und Werner Gern
zischt ihm etwas ins Ohr. »Ein gewisser Sebastian Richter. Er ist zufällig gerade hier und … begrüßen Sie ihn doch vielleicht mit einem Applaus!«
Die Leute klatschen, manche von ihnen pfeifen und schreien sogar. »Sebastian! Sebastian Richter!«
»Jetzt Sie!«, zischt die PR-Dame, die nervös angetrippelt kommt. Sie erhält gerade Anweisungen über ihr Funkgerät. »Nur ganz kurz, bitte, Herr Richter. Dass Sie die Idee hatten. Mehr nicht.«
Richard, der bis jetzt unmittelbar neben mir stand, strafft die Schultern. Er räuspert sich und nimmt das Mikrofon entgegen.
Ich starre ihn an. »Hallo? Willst du jetzt wirklich … Also, weißt du, was du sagen sollst? Ich meine, wir hatten das noch gar nicht im Detail besprochen«, stammle ich. Richards dunkle Augen ruhen auf mir. Mit zitternden Knien begleite ich ihn zur Mitte der Terrasse, wo das Rednerpult aufgebaut ist und wo einige Dutzend Fernsehkameras stehen. Tom Konrad hat sich bereits wieder abgewandt und plaudert mit einer jungen Hostess.
»Los, reden Sie!«, zischt unsere PR-Dame mir in den Nacken. »Bevor Tom Konrad wieder abfliegt! Dann wird der Hubschrauber so einen Lärm machen, dass man kein Wort mehr verstehen kann! Und das ist … ähm … vermutlich seine Absicht!«
Ich bin so schrecklich nervös! Die Sonne spiegelt sich in all den Kameras, die nun auf Richard gerichtet sind, und ich muss die Augen zusammenkneifen.
Zögernd faltet Richard das Blatt mit der Rede, die ich für ihn vorbereitet habe, auseinander und streicht es auf dem Rednerpult glatt.
»Meine sehr geschätzten Damen und Herren«, beginnt er
mit seiner leisen, aber eindringlichen Stimme, und das Gemurmel, das sich nach der Rede von Tom Konrad erhoben hat, verebbt langsam.
»Liebe Leser und hauptsächlich Leser innen der Sebastian-Richter-Kolumne!«
Herzlicher Beifall von den Frauen dort unten auf dem Platz ist die Antwort.
»Sie haben gerade gehört, was Tom Konrad über sein Musical gesagt hat!«
Warum betont er denn ausgerechnet dieses Wort? Warum malt er dazu Anführungszeichen in die Luft? Das fängt aber gar nicht gut an! Er wird doch nicht … Ich meine, er wird doch jetzt nicht die Strategie der Produktionsfirma unterwandern wollen …?
»Tom Konrad bezeichnet das Musical als sein Lebenswerk. Er hat
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