Die Erfolgsmasche
keiner Schlägerei. Doch Richard lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Sie hatte nicht nur ›die Idee‹, wie Sie, Herr Konrad, sich auszudrücken belieben! Sie hat das gesamte Musical-Drehbuch geschrieben, Wort für Wort.«
Werner Gern ist jetzt bei Richard angekommen und will ihm das Mikro entreißen. Er hält mitten in der Bewegung inne, weil Richard einfach weiterspricht.
»Wissen Sie, wie die Frau geschuftet hat, Tag und Nacht?« Er atmet scharf aus, bevor er Werner Gern seinen Arm entreißt: »Und sich noch ganz nebenbei um die Kinder und den Haushalt gekümmert hat. Jede freie Sekunde saß sie am Laptop, um die Deadline auch wirklich zu schaffen und den Schlagern dieses Tom Konrad gerecht zu werden!«
Ich halte die Luft an und fühle, wie ich wieder überall rote
Flecken bekomme. Werner Gern fährt sich voller Unbehagen über das Gesicht. Ich starre ihn mit einem flauen Gefühl im Magen an. Ich würde gern etwas Beschwichtigendes sagen. Aber bringe keinen Ton heraus. Ich bin wie gelähmt.
»Im Übrigen lebt diese Frau davon! Sie schwelgt nicht in Millionen und fliegt mit dem Privatjet herum. Sie hat auch keine Zeit, sich mit jungen Männern zu vergnügen …«
Täusche ich mich, oder zuckt Tom Konrad auf seinem Helikopter-Stüfchen zusammen? Jedenfalls lässt er die Hand der blutjungen Hostess sofort los.
»Nein!«, stoße ich verzweifelt hervor. Ich halte mir die Hände vor das Gesicht. »Bitte nicht, Richard!«
»Die besagte Autorin, von der ich hier spreche, sah sich nur deshalb gezwungen, einen gut aussehenden Mann vorzuschieben, weil ein namhaftes deutsches Hausfrauenblatt keinen ›Hausfrauenscheiß‹« - hier malt er wieder Gänsefüßchen in die Luft - »mehr drucken wollte. Hinter der Maske eines Mannes, eines alleinerziehenden Vaters, hat das allerdings sehr gut geklappt.«
Werner Gerns Gesichtsausdruck hat sich vollkommen verändert. Während er noch vor zehn Sekunden wild entschlossen war, Richard zum Schweigen zu bringen, starrt er mich nun verwundert, ja bewundernd an. Seine kämpferische Miene weicht erst einem breiten Grinsen, dann einem herzlichen Lächeln.
»Hab ich es doch gewusst«, flüstert er mir zu. »Das kostet die Schneider-Basedow den Kopf.«
Irgendwie bringe ich ein verspanntes Grinsen zustande.
Richard entgeht das nicht, und er spricht weiter.
»Meine Damen, ich möchte mich kurz bei Ihnen vorstellen. Mein Name ist Richard Berkenbusch, ich bin Pianist und Chorleiter und arbeite mit einem Frauenchor. Sie können
mir glauben, dass Stutenbissigkeit und Missgunst unter Frauen für mich kein Fremdwort sind.«
Im Publikum ist es nun totenstill. Man kann eine Stecknadel fallen hören.
»Aber ist es nicht traurig, dass Sie die Kolumnen einer alleinerziehenden Mutter nicht mehr lesen wollten, während Sie die eines alleinerziehenden Vaters geradezu verschlungen haben?«
Ich bin wie betäubt. Werner Gern steht nun so dicht neben mir, dass ich an seiner breiten Schulter Halt finde.
»Die Frau, aus deren Feder sowohl die Kolumnen als auch dieses Musical stammen, steht hier schräg hinter mir.« Richard macht eine einladende Geste mit seinem Arm. »Bis vor zehn Minuten hat sie sich noch als meine Managerin ausgegeben, nur um den Job nicht zu verlieren und ihre Kinder weiterhin ernähren zu können. In dieser Rolle nannte sie sich ›Hella Kopf‹.«
Einige Leute pfeifen anerkennend, andere brechen in beifälliges Gelächter aus. Ein paar klatschen müde.
»In Wirklichkeit ist sie eine ganz normale Frau. Die nicht kochen kann, wie meine Mutter mir heimlich zugetragen hat, und die ein herrlich chaotisches Leben in einer Mietwohnung unterm Dach führt. Mit ihren Kindern und Kuckuckskindern, die alle in ihr Nest geflogen sind und nicht wieder wegfliegen, weil es bei ihr so viel Wärme und Liebe gibt.«
In diesem Moment fliegt die Tür auf, und eine entrüstete Gestalt im roten Kleid stöckelt aufgeregt auf mich zu. »Sie ist eine Betrügerin!«, keift sie, während sie mit ausgestrecktem Arm vorwurfsvoll auf mich zeigt.
Oh Gott. Es ist … du liebe Güte. Wo kommt die denn auf einmal her? Es ist Carmen Schneider-Basedow!
Ich stehe gebeugt da, mir laufen die Tränen übers Gesicht,
und meine mühsam gestylte Karrierefrau-Frisur ist völlig zerzaust.
Richard lächelt mich so warmherzig aus seinen samtbraunen Augen an, dass ich beinahe in Ohnmacht falle.
Carmen Schneider-Basedow baut sich nun in der Mitte der Terrasse auf. Sie schnaubt vor Wut. »Diese Frau hat die
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