Die Erfolgsmasche
schon einiges über die Handlung verraten …« An dieser Stelle blickt sich Richard fragend nach mir um. »Es geht um einen kleinen Jungen, Florian Wartberg, der von seinen Eltern ins Internat gesteckt wird, dort die Liebe findet und seine Familie schließlich wieder zusammenbringt …«
Ich schlucke. Was soll denn das werden? Ich meine, was bezweckt Richard denn damit? Das steht doch so überhaupt nicht in meiner für ihn vorbereiteten Rede?! Hilflos schaue ich zu Werner Gern hinüber, der auch nur fragend die Achseln zuckt. Tom Konrad, der sich bereits wieder zu seinem Hubschrauber begeben hat und gerade versucht einzusteigen, hält überrascht inne.
»Meine lieben Leserinnen und Tom Konrad, ich kenne diese Geschichte überhaupt nicht!«
Nun hat Richard die Rede, die ich vorsorglich für ihn in Großbuchstaben getippt habe, endgültig beiseitegelegt.
Die Leute fangen an zu tuscheln, heben die Köpfe und lassen ihre Kameras und Handys sinken.
»Ich kenne ehrlich gesagt auch Tom Konrad nicht. Ich habe noch nie einen Song von ihm gehört.« Die Leute sind nun völlig irritiert. Einige schreien »Buh!«, andere »Was soll der Scheiß!«.
»Hören Sie sofort auf damit!«, zischt nun die PR-Dame mit unterdrückter Wut. »Sie haben sich an unsere Vereinbarungen zu halten!« Sie hält ihr Funkgerät ans Ohr. »Verbieten Sie ihm das!«, keift sie mich an. »Das gibt sonst Riesenprobleme mit Tom Konrad!«
»Richard!«, stoße ich verzweifelt hervor. »Ich meine … Sebastian! Bitte verdirb es jetzt nicht!« Meine Lippen formen ein stummes: » Bitte! « Ich bin den Tränen nahe. Warum vermiest er mir das alles? Ich dachte, er hält zu mir?
Ich merke, wie bei der versammelten Presse neues Interesse aufflammt.
»Wenn Sie seine Lieder gar nicht kennen, wieso haben Sie dann das Musical für ihn geschrieben?«, ruft ein Journalist. »Das steht zumindest in der Pressemitteilung!« Die rothaarige Fotografin, die zu ihm gehört, richtet ihr Objektiv direkt auf Richards Lippen.
»Ich habe das Musical nicht geschrieben«, antwortet Richard plötzlich mit fester Stimme. »Ebenso wenig wie dieser Herr!« Er zeigt auf Tom Konrad, der auf den Stufen seines Helikopters festgewachsen zu sein scheint.
»Weder er noch ich sollten uns mit fremden Federn schmücken!« Er dreht sich zu dem startbereiten Helikopter um und sagt sehr laut in sein Handmikrofon: »Herr Konrad, oder wie auch immer Sie heißen mögen, so etwas tut ein Gentleman nicht!«
Ich starre Richard entsetzt an.
»Nein«, rufe ich verzweifelt. »Bitte nicht!«
Die Journalisten recken mittlerweile ihre Hälse, und die Fotografen reißen ihre Kameras wieder in die Höhe.
»Nach Ihren vielen Erfolgen sollten Sie das in Ihrem gesegneten Alter doch nicht mehr nötig haben«, fährt Richard unbeirrt fort.
Er wendet sich wieder an das Publikum, das ihn nun mit offenem Mund anstarrt.
»Ich bin nicht Sebastian Richter«, lässt er plötzlich die Bombe platzen. »Sie müssen mich verwechseln!«
»Das hat George Clooney auch schon behauptet«, schreit eine Frau aus dem Publikum, und die anderen lachen.
»So? Und wer ist dann Sebastian Richter?«, ruft die rothaarige Fotografin und schaut sich suchend um, bereit, ihr Objektiv auf eine andere Person zu richten.
»Sebastian Richter gibt es nicht.«
Ich höre, wie die Leute nach Luft schnappen, die erstaunten Rufe, das enttäuschte Stöhnen, nehme das Blitzlichtgewitter wahr. Richard schaut mich entschuldigend an und presst die Lippen zusammen. Die Journalisten bombardieren ihn mit Fragen.
Okay, ich will auf der Stelle tot umfallen. Oder den Mut haben, von der Dachterrasse zu springen.
Ein Aufschrei geht durch die Menge, und Werner Gern kommt nun im Laufschritt vom Hubschrauberlandeplatz angerannt. Er fuchtelt mit den Armen, so als wollte er verhindern, dass Richard noch einen einzigen Ton sagt.
Richard nimmt wieder das Mikrofon und spricht hinein:
»So. Und jetzt erzähle ich Ihnen die wahre Geschichte. Wenn Sie die Wahrheit hören wollen.«
33
»Dieses Musical stammt aus der Feder einer Frau«, sagt Richard und lächelt mich an.
Die Leute verstummen. Tom Konrad wehrt wütend den helfenden Arm ab, der ihn in den Helikopter ziehen wollte.
Die Propeller drehen sich langsamer und kommen schließlich zum Stehen.
»Wie auch die Kolumnen in der Frauenliebe und Leben .«
Ungläubiges Raunen ist die Antwort. Werner Gern kommt nun auf uns zugeschossen, ein verschwommener Riese in braunem Tweed. Hoffentlich kommt es zu
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