Die Erlösung der Frauen (German Edition)
spontan aufkeimender Wunsch nach einer vehementen Veränderung der Lebensweise, wie lange er auch anhalten wollte, beseitigte für einen Moment alle Hürden, alle karrierebetonten Präferenzen und vermeintlichen Klassenunterschiede. Jetzt erst war ein romantisches Zusammentreffen zwischen Corinna und Donald möglich und just in diesem Moment begann es heftig zu regnen.
Donald hatte den Tag im Englischen Garten verbracht, da es vom Wetter her einer der ersten Tage des Jahres gewesen war, an dem man die diesjährige Sommermode der Damen studieren konnte und dieselben nicht selten auch diesen Park wählten, um die neuesten Stücke an sich selbst auszuprobieren. Das Angebot war reichhaltig gewesen, wenn man die Abstinenz des langen Winters mit in Betracht zog, der vorangegangen war. Doch trotzdem hatte Donald sich noch nicht richtig dazu ermutigen können, die Initiative zu ergreifen. Es war einer jener Tage, die richtungsweisend sein konnten und er war noch ein wenig unschlüssig darüber, was der Sommer bringen würde. Umso schicksalhafter erschien ihm auch das Auftauchen von Corinna. Donald hatte sich für ein frühes Abendessen zu seinem Lieblingsitaliener begeben, einer heruntergekommenen Pizzeria, die nicht weit seiner Wohnung gelegen war. Das Restaurant hatte sich seinen rustikalen Charakter bewahrt, gleichwohl das es umgebende Viertel seinen Arbeiter- und Immigrantencharme längst eingebüßt hatte und dem Prenzlauer Berg in Berlin immer ähnlicher wurde. In jedem Falle aber war es ein Restaurant, das Corinna schon allein aus Imagegründen niemals betreten hätte, weil dort außer Adriano Celentano noch ein Fernseher mit Fußballübertragungen lief, vor dem alte Sizilianer herumsaßen und lauthals Kommentare abgaben. Da aber das Unwetter so plötzlich hereinbrach, musste sie sich vor dem Eingang unterstellen und warten, bis der Regen nachlassen würde und im gleichen Moment kam Donald nach draußen, um eine Zigarette zu rauchen. Es bedarf eigentlich keiner weiteren Erwähnung, dass er sie sofort bemerkte. Und weil er nicht an Zufälle glaubte, wusste er, dass sie aufgrund irgendeiner schicksalhaften Fügung zu ihm gekommen war. Corinna freilich beachtete ihn nicht weiter und warf immer wieder einen wütenden Blick zum Himmel hinauf. Donald nahm ein paar Züge von seiner Zigarette, dann warf er sie auf den nassen Asphalt hinaus und machte Anstalten wieder hineinzugehen, nur um im Türrahmen stehen zu bleiben und zu sagen:
Warum nehmen Sie sich kein Taxi? Ich ruf Ihnen ein Taxi!
Corinna drehte sich mit einiger Verwunderung zu ihm um, doch sie war noch immer viel zu wütend, um das charmante Angebot zu würdigen.
Nein, nein, danke. Es geht schon.
Sind Sie sicher?
Ja.
Donald ging gleichmütig ins Lokal zurück und kam kurz darauf mit einer Decke zurück, die er auf einem der draußen stehenden Plastikstühle ausbreitete.
Wenn Sie schon unbedingt hier warten wollen, dann setzen Sie sich wenigstens. Ich lass Ihnen auch gerne was zu trinken bringen.
Ich will nichts trinken. Ich warte nur, bis der Regen vorbei ist.
Und solange trinken Sie. Bitte! Ich lade Sie ein.
Donald schob den Stuhl ein wenig zurück und Corinna kam der Aufforderung nach, nicht ohne dabei einen leicht angewiderten Gesichtsausdruck zu machen.
Meinetwegen.
Sie trinken doch Wein, oder?
Aber sicher nicht hier.
Dabei haben die hier ganz ausgezeichneten Wein, den Sie unbedingt probieren sollten. Rot oder Weiß?
Weiß.
Ich empfehle Ihnen einen roten.
Ist ja Ihr Geld.
Donald ging wieder hinein. Corinna schlug die Beine übereinander, legte ihre Tasche auf den weißen Plastiktisch und warf einen abfälligen Blick in das Lokal hinein. Mit Fingerspitzen griff sie den Saum der Decke, auf der sie saß, und hielt ihn sich vors Gesicht, um daran zu riechen. Sie wusste nicht, warum sie Donalds Angebot angenommen hatte. Aber es war ihr auch egal. Ob Sie zuhause im Bett lag und heulte, sich stundenlang im Spiegel betrachtete und selbst beschimpfte für ihr naives Vertrauen gegenüber ihrem Ex-Freund oder aber in einer versifften Pizzeria mit einem fremden Mann herumsaß und auf dessen Kosten Wein trank, spielte keine große Rolle mehr. Sie war zu aufgebracht und zu müde, um Entscheidungen zu treffen. Donald kam zurück und setzte sich ihr gegenüber.
Ist Ihnen kalt? Ich hole Ihnen gern noch eine zweite Decke.
Nein, nein. Ist schon gut.
Sie brauchen es nur zu sagen.
Beruhigen Sie sich. Ich sitze nur hier, weil es regnet.
Natürlich. Das weiß
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