Die Erlösung der Frauen (German Edition)
das alles gar nichts mit ihm zu tun hätte. Wie ein Ethnologe, der sich bei einem afrikanischen Stamm einnistet, um die Eigenheiten dieser fremden Kultur zu ergründen. Zugegeben, Donalds Konzentration richtete sich dabei ausnahmslos auf die Frauen in all ihren Erscheinungsformen. Aber die Liebe, was auch immer das war, hatte er bloß als Idee kennen gelernt.
Auf dem Weg zu seinem alten Schulfreund Johann, der ein Anwesen im noblen Grünwald unterhielt, wurde Donald von einem plötzlichen Regenschauer überrascht. Es hatte eigentlich schon den ganzen Sommer über durchgeregnet und man hatte längst aufgehört, sich darüber zu ärgern, auch wenn die gleichen Boulevardzeitungen, die in ein paar Wochen die Sonne als todbringenden Hitzeherd diffamieren würden, nicht müde wurden, ihre Sehnsucht nach Badewetter zum Ausdruck zu bringen. Nass bis auf die Haut kam er bei Johann an, der ihm sogleich ein duftendes schneeweißes Handtuch mit Goldrahmen reichte, mit dem sich Donald die Haare trocknete. Dann führte Johann ihn ins Gästezimmer, wo er ihm ein frisches weißes Hemd, eine dunkelblaue Khaki-Hose und Segelschuhe zurechtlegte. Sie hatten in etwa die gleiche Statur, nur die Schuhe waren Donald zu groß, was Johann mit einem ernst gemeinten Seufzer kommentierte – darauf war er nicht vorbereitet gewesen. Der Gastgeber selbst trug einen eleganten maßgeschneiderten Hausanzug mit tiefseegrünen Cordsamthosen und einer Jacke aus haselnussbraunem Wollsatin, dazu edle Sandalen aus braunem Haifischleder. Er hatte eine hohe Stirn und einen fein gekämmten blonden Seitenscheitel, wie er im Deutschland der 30er und 40er Jahre unter gewissen Kreisen en vogue gewesen war. Seine vollen Lippen zeugten von Sinnlichkeit, die kleinen Schweinsäuglein dagegen von einer gewissen Hinterlist. Sein Vater entstammte irgendeinem ostpreußischen Adelsgeschlecht und war lange Zeit als Diplomat tätig gewesen. Nun, da beide Eltern nach Namibia ausgewandert waren, um dort Schulen zu bauen, residierte Johann allein über die gewaltige Grünwalder Villa im Stil der Neorenaissance, die eigentlich selbst schon aussah wie eine Botschaft. Um sich nicht zu langweilen, wechselte er einmal pro Woche das Schlafzimmer. Am meisten Zeit verbrachte er im Raucher-Salon, den er liebevoll Das Landschaftszimmer nannte, weil dort ein großes, einhundert Jahre altes Gemälde der Lüneburger Heide an der Wand hing. Hier eröffnete man den Abend mit einem Aperitif, genauer gesagt einem 30 Jahre alten Oloroso-Sherry, sowie einer einfachen Filterzigarette. Johann hatte seine Methoden der Gastlichkeit bis ins kleinste Detail perfektioniert. Er wusste ganz genau, wie man einen gelungenen Abend inszenierte, von der Wahl der Speisen über die Getränke bis hin zum richtigen Gesprächsthema an der richtigen Stelle, selbstredend abgestimmt auf die individuelle Persönlichkeit des Gastes. Seit er sein Jura-Studium mit Bravour abgeschlossen und sich daraufhin entschieden hatte, niemals wieder mit dieser Materie in Kontakt zu treten, tat er eigentlich nichts anderes mehr, als in seinem Domizil Gesellschaften zu geben. Das einzige, womit er sich ferner beschäftigte, war die Verfassung eines historischen Romans über den Wiener Kongreß von 1814, in dem er vor allem das Privatleben des österreichischen Außenministers behandeln wollte. Dies war auch das erste Gesprächsthema, das sich nach dem Anzünden der Zigarette ergeben sollte.
Eigentlich interessiert mich das Thema überhaupt nicht mehr, aber meine Recherchen sind schon soweit gediehen, dass ich mir keinen Rückzieher mehr erlauben kann. Ein neues Thema zu finden würde Ewigkeiten dauern.
Warum denkst du dir nicht einfach was aus?
Es ist immer besser, sich mit einem historischen Stoff zu befassen. Als einer der schreibt, kann ich dir versichern, dass es nichts mehr zu erzählen gibt. Man sagt ja oft, die Geschichten bleiben immer dieselben, nur die Betrachtungsweise ändert sich. Demnach ist alles nur eine zeitgenössische Interpretation der kulturellen Archetypen, der Odyssee, der Love Story. Symbolisch geschickt verpackte Neuinterpretationen des alten Dualismus zwischen Gut und Böse. Da schickt man uns in ferne Welten, da versteckt sich der älteste Konflikt der Menschheit hinter der Maske von Darth Vader und wieder einmal manifestiert sich das Schicksal der Welt in einem goldenen Ring, der unsichtbar macht. Das wahre Leben ist viel spannender. Da gibt es keine Dramaturgie, keine Plots und Auflösungen. Alles
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