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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gehören bereits der Direktor des Priesterseminars und Monsignores Sekretär.« Dann wandte sie sich an Marthe: »Weißt du, wenn du deinen Mieter siehst, solltest du dahingehend bei ihm vorfühlen, daß du mir sagen kannst, ob ihm eine Einladung angenehm wäre.«
    »Wir sehen ihn fast nicht«, beeilte sich Mouret zu antworten. »Er kommt und geht, ohne den Mund aufzumachen … Außerdem geht mich das nichts an.« Und er musterte sie weiter mit argwöhnischer Miene. Sicherlich wußte sie viel mehr über Abbé Faujas, als sie erzählen wollte. Im übrigen zuckte sie mit keiner Wimper unter dem aufmerksam musternden Blick ihres Schwiegersohnes.
    »Das ist mir schließlich gleichgültig«, fuhr sie mit vollendeter Ungezwungenheit fort. »Wenn er ein anständiger Mensch ist, werde ich immer eine Art und Weise finden, ihn einzuladen … Auf Wiedersehen, meine Kinder.«
    Sie ging die Freitreppe wieder hoch, als sich auf der Schwelle zum Hausflur ein großer alter Mann zeigte. Er trug einen Überzieher und Hosen aus sehr sauberem blauem Tuch und hatte eine Pelzmütze mit über die Augen hängender Krempe auf. In der Hand hielt er eine Peitsche.
    »Ah, Onkel Macquart!« rief Mouret und warf einen neugierigen Blick auf seine Schwiegermutter.
    Félicité hatte eine sehr unwillige Handbewegung gemacht. Macquart, ein unehelicher Bruder Rougons, war dank dessen Hilfe nach Frankreich zurückgekehrt, nachdem er sich in der Erhebung der Landgemeinden von 1851 unmöglich gemacht hatte. Seit seiner Rückkehr aus Piemont führte er das Leben eines fetten Bürgers mit gutem Auskommen. Er hatte sich – man wußte nicht, mit was für Geld – im Dorf Les Tulettes, drei Meilen von Plassans entfernt, ein Häuschen gekauft. Nach und nach hatte er sich herausgemacht und sich schließlich sogar ein Wägelchen und ein Pferd zugelegt, so daß man ihn nur noch auf den Landstraßen traf, wie er Pfeife rauchend die Sonne trank, grinste und dabei aussah wie ein solide gewordener alter Seebär. Die Feinde der Rougons sagten ganz leise, daß die Brüder irgendeinen schlechten Streich zusammen begangen hätten und daß Pierre Rougon Antoine Macquart aushalte.
    »Guten Tag, Onkel«, wiederholte Mouret mit betonter Freundlichkeit. »Sie kommen also, uns einen kleinen Besuch abzustatten?«
    »Aber ja«, antwortete Macquart in gutmütigem Ton. »Du weißt, jedesmal wenn ich durch Plassans komme … Ach, du meine Güte, Félicité! Wenn ich darauf gefaßt gewesen wäre, Sie hier zu finden! Ich war gekommen, um Rougon zu besuchen, ich hatte ihm etwas zu sagen …«
    »Er war zu Hause, nicht wahr?« unterbrach sie ihn mit ruheloser Lebhaftigkeit. »Es ist gut, es ist gut, Macquart.«
    »Ja, er war zu Hause«, fuhr der Onkel seelenruhig fort, »ich habe ihn gesehen, und wir haben geplaudert. Er ist ein guter Kerl, der Rougon.« Er lachte leicht auf. Und während Félicité vor Angst von einem Fuß auf den anderen trat, redete er weiter mit seiner schleppenden Stimme, die so seltsam gebrochen klang, daß er sich stets über die Welt lustig zu machen schien: »Mouret, mein Junge, ich habe dir zwei Kaninchen mitgebracht; sie sind da in einem Korb. Ich habe sie Rose gegeben … Für Rougon hatte ich auch zwei; Sie werden sie zu Hause finden, Félicité, und können mir Bescheid geben. Ah, wie fett die Strolche sind! Ich habe sie für euch gemästet … Was wollt ihr, Kinder? Mir macht es Freude, was zu verschenken.«
    Félicité war ganz blaß und preßte die Lippen zusammen, während Mouret sie weiter mit heimlichem Lachen ansah. Sie hätte sich gerne zurückgezogen; aber sie fürchtete die Redereien, wenn sie Macquart allein zurückließ.
    »Danke, Onkel«, sagte Mouret. »Letztes Mal waren Ihre Pflaumen sehr gut … Sie trinken doch einen Schluck?«
    »Na, das kann ich nicht abschlagen.«
    Und als Rose ihm ein Glas Wein gebracht hatte, setzte er sich seelenruhig auf das Terrassengeländer. Bedächtig trank er aus dem Glas, schnalzte mit der Zunge und hielt den Wein dabei gegen das Licht.
    »Der kommt aus der Ecke von SaintEutrope, dieser Wein da«, murmelte er. »Mich täuscht man nicht. Ich kenne die Gegend wie meine Rocktasche.« Er schüttelte den Kopf und grinste.
    Da fragte ihn Mouret unvermittelt mit einem eigentümlichen Unterton in der Stimme:
    »Und wie geht es in Les Tulettes?«
    Macquart blickte hoch, sah alle an; nachdem er ein letztes Mal mit der Zunge geschnalzt und das Glas neben sich auf den Stein gestellt hatte, antwortete er lässig:
    »Ganz

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