Die Eroberung von Plassans - 4
Spaziergang über den Cours Sauvaire, wo er Freunde traf, mit denen er vom Wetter, von den Ernten, von den Geschehnissen des Vortages plauderte. Eine große Bestellung Mandeln, die er am folgenden Tag übernahm, hielt ihn mehr als eine Woche lang in ständigem Kommen und Gehen, was bewirkte, daß er Abbé Faujas fast vergaß. Übrigens begann ihn der Abbé zu langweilen; er redete nicht genug, er war zu geheimniskrämerisch. Er ging ihm zweimal aus dem Wege, weil er glaubte, der andere suche ihn einzig und allein, um das Ende der Geschichten über die Bande der Unterpräfektur und die Bande der Rastoils zu erfahren. Als Rose ihm erzählte, daß Frau Faujas versucht habe, sie zum Sprechen zu bringen, hatte er sich vorgenommen, die Lippen nicht mehr aufzutun. Ein anderes Vergnügen füllte seine leeren Stunden aus. Wenn er jetzt die so gut verschlossenen Vorhänge im zweiten Stock betrachtete, brummelte er vor sich hin:
»Versteck dich ruhig, mein Guter … Ich weiß, daß du mich hinter deinen Vorhängen belauerst; das bringt dich immer noch nicht groß voran. Wenn du damit rechnest, durch mich die Nachbarn kennenzulernen!«
Dieser Gedanke, daß Abbé Faujas auf der Lauer lag, erheiterte ihn ungemein. Er gab sich viel Mühe, um nicht in irgendeine Falle zu gehen. Aber als er eines Abends nach Hause kam, gewahrte er fünfzig Schritt vor sich Abbé Bourrette und Abbé Faujas, die vor Herrn Rastoils Tür stehengeblieben waren. Er verbarg sich in einem Hauswinkel. Die zwei Priester hielten ihn dort eine gute Viertelstunde fest. Sie sprachen lebhaft, trennten sich, kamen dann wieder. Mouret glaubte zu verstehen, daß Abbé Bourrette Abbé Faujas inständig bat, ihn zum Präsidenten zu begleiten. Dieser entschuldigte sich, lehnte schließlich mit einiger Ungeduld ab. Es war ein Dienstag, ein Empfangstag. Endlich trat Bourrette bei Herrn Rastoil ein; Faujas schlich in seinem demütigen Gang nach Hause. Mouret blieb nachdenklich. Wirklich, warum ging der Abbé nicht zu Herrn Rastoil? Die ganze Pfarre SaintSaturnin speiste dort, Abbé Fenil, Abbé Surin und die anderen. Es gab keinen Schwarzrock in Plassans, der nicht im Garten vor dem Wasserfall die kühle Abendluft genossen hätte. Diese Weigerung des neuen Vikars war eine wahrhaftig ungewöhnliche Sache.
Als Mouret nach Hause gekommen war, ging er schnell hinter in seinen Garten, um die Fenster im zweiten Stock zu beobachten. Nach einer Weile sah er, wie sich der Vorhang des zweiten Fensters rechts bewegte. Sicherlich stand Abbé Faujas dort, um auszukundschaften, was bei Herrn Rastoil vorging. An gewissen Bewegungen des Vorhangs glaubte Mouret zu erkennen, daß er gleichfalls nach der Seite der Unterpräfektur hinüberblickte.
Als er am nächsten Tag, einem Mittwoch, ausgehen wollte, teilte ihm Rose mit, daß Abbé Bourrette seit mindestens einer Stunde bei den Leuten im zweiten Stock sei. Da kehrte er wieder um und schnüffelte im Wohnzimmer herum. Als Marthe ihn fragte, was er so suche, wurde er wütend und sprach von einem Schriftstück, ohne das er nicht fortgehen könne. Er stieg nach oben, um nachzusehen, ob er es nicht im ersten Stock gelassen hätte. Als er dann nach langem Warten hinter der Tür seines Zimmers im zweiten Stock ein Stuhlrücken zu vernehmen glaubte, ging er langsam hinunter und blieb im Hausflur einen Augenblick stehen, um Abbé Bourrette Zeit zu geben, ihn einzuholen.
»Schau mal einer an! Sie hier, Herr Abbé? Was für ein glückliches Zusammentreffen! – Gehen Sie nach SaintSaturnin zurück? Das trifft sich großartig. Ich gehe in diese Richtung. Ich werde Sie begleiten, wenn Sie das nicht stört.« Abbé Bourrette antwortete, daß er entzückt sei. Sie gingen beide langsam die Rue Balande hoch und wandten sich zum Place de la Sous Préfecture. Der Abbé war ein beleibter Mann mit einem gutmütigen, naiven Gesicht und großen blauen Kinderaugen. Sein straffgezogener breiter Seidengürtel ließ einen Bauch von sanfter und glänzender Rundung hervortreten, und er ging mit etwas zurückgeworfenem Kopf, seinen zu kurzen Armen und seinen schon schwerfälligen Beinen.
»Nun!« sagte Mouret, ohne einen Übergang zu suchen. »Sie kommen von einem Besuch bei diesem vortrefflichen Herrn Faujas … Ich habe Ihnen zu danken, Sie haben da einen Mieter für mich ausfindig gemacht, wie es wenige gibt.«
»Ja, ja«, murmelte der Priester. »Das ist ein ehrenwerter Mann.«
»Oh! Nicht der geringste Lärm. Wir merken nicht einmal, daß ein Fremder bei
Weitere Kostenlose Bücher