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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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wissen sehr wohl, daß ich nicht zu Ihnen kommen kann … Sie empfangen eine Menge Leute, die entzückt wären, mir unangenehm zu werden. Außerdem möchte ich mich nicht auf Politik einlassen.«
    »Aber Sie irren sich«, entgegnete Félicité, »Sie irren sich, hören Sie, Mouret! Würde man nicht sagen, mein Salon sei ein Klub? Das habe ich nicht gewollt. Die ganze Stadt weiß, daß ich mich bemühe, mein Haus liebenswürdig zu machen. Wenn man bei mir über Politik spricht, so geschieht das heimlich in den Ecken, versichere ich Ihnen. Ach ja, die Politik, sie hat mir früher genug Verdruß bereitet … Warum sagen Sie das?«
    »Sie empfangen die ganze Bande von der Unterpräfektur«, murmelte Mouret mit mürrischer Miene.
    »Die Bande von der Unterpräfektur?« wiederholte sie. »Die Bande von der Unterpräfektur? – Ohne Zweifel, ich empfange diese Herren. Ich glaube dennoch nicht, daß man Herrn Péqueur des Saulaies in diesem Winter oft bei mir trifft; mein Mann hat ihm die Wahrheit über die letzten Wahlen gesagt. Er hat sich hinters Licht führen lassen wie ein Tropf … Was seine Freunde anbelangt, so sind sie Menschen aus guter Gesellschaft. Herr Delangre, Herr de Condamin sind sehr liebenswürdig, der biedere Paloque ist die Güte selbst, und gegen Doktor Porquier haben Sie, glaube ich, nichts einzuwenden.«
    Mouret zuckte die Achseln.
    »Übrigens«, fuhr sie fort und legte ironisch Nachdruck auf ihre Worte, »empfange ich auch Herrn Rastoils Bande, den ehrenwerten Herrn Maffre und unseren gelehrten Freund Herrn de Bourdeu, den früheren Präfekten … Sie sehen also, wir schließen uns gegen niemand ab, bei uns sind alle Meinungen willkommen. Aber begreifen Sie doch, daß kein Schwanz zu mir kommen würde, wenn ich meine Gäste nur aus einer Partei aussuchte! Außerdem lieben wir den Geist überall, wo er sich findet; wir erheben den Anspruch, daß zu unseren Abendgesellschaften alles kommt, was Plassans an vornehmen Persönlichkeiten aufzuweisen hat … Mein Salon ist neutrales Gebiet, merken Sie sich das gut, Mouret; ja, neutrales Gebiet, das ist das richtige Wort.« Sie hatte sich beim Sprechen ereifert. Jedesmal wenn man sie auf dieses Thema brachte, wurde sie zum Schluß böse. Ihr Salon war ihr großer Ruhm; wie sie sagte, wollte sie dort thronen, nicht als Parteichef, sondern als Frau von Welt. Es stimmt, daß die vertrauten Freunde behaupteten, sie bediene sich einer Versöhnungstaktik, die ihr Sohn Eugène, der Minister, ihr angeraten habe, der ihr auftrug, in Plassans die Annehmlichkeiten und die Liebenswürdigkeiten des Kaiserreiches zu verkörpern.
    »Sie können sagen, was Sie wollen«, brummelte Mouret dumpf, »Ihr Maffre ist ein Pfaffe, Ihr Bourdeu ein Einfaltspinsel, und die anderen sind größtenteils Lumpen. Das ist˜s, was ich denke … Ich danke Ihnen für Ihre Einladung, aber das wurde mich zu sehr in meinem Tagesablauf stören. Ich habe die Angewohnheit, zeitig schlafen zu gehen. Ich bleibe zu Hause.« Félicité erhob sich, wandte Mouret den Rucken zu und sagte zu ihrer Tochter:
    »Ich rechne immerhin auf dich, nicht wahr, meine Liebe?«
    »Gewiß«, antwortete Marthe, die die grobe Weigerung ihres Mannes mildern wollte.
    Die alte Dame schickte sich an zu gehen, da schien sie sich eines Besseren zu besinnen. Sie bat, Désirée, die sie im Garten erblickt hatte, einen Kuß geben zu dürfen. Sie wollte nicht einmal, daß man das Kind rief; sie stieg auf die Terrasse hinunter, die von einem am Morgen niedergegangenen leichten Regen noch ganz naß war. Dort floß sie über vor Liebkosungen für ihre Enkelin, die ein bißchen scheu vor ihr stehenblieb; als sie dann wie zufällig den Kopf hob und die Vorhänge im zweiten Stock sah, rief sie aus:
    »Nanu! Ihr habt vermietet? – Ach ja! Ich entsinne mich, an einen Priester, glaube ich. Ich habe davon gehört … Was für ein Mensch ist dieser Priester?«
    Mouret sah sie fest an. Ihm kam gleichsam ein rascher Argwohn; er dachte, daß sie einzig wegen Abbé Faujas gekommen war.
    »Auf Ehre«, sagte er, ohne sie aus den Augen zu lassen, »ich weiß darüber nichts … Aber vielleicht können Sie mir Auskunft geben?«
    »Ich?« rief sie mit großartig gespielter Überraschung. »Nun! Ich habe ihn nie gesehen … Warten Sie, ich weiß, daß er Vikar an der Kirche SaintSaturnin ist; Pater Bourrette hat mir das gesagt. Und hören Sie, das bringt mich auf den Gedanken, daß ich ihn zu meinen Donnerstagen einladen sollte. Zu meinen Gästen

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