Die Erpresserin
ich Sie ja in erster Linie, Angie zu überreden,
Loomis zu verlassen und zu Sonia zurückzukehren. Ich war davon überzeugt, daß
ihr alles Erdenkliche zustoßen könnte, solange sie sich mit diesem verrückten
Strolch herumtrieb.«
»Und
Sie haben heute noch einen zweiten Brief bekommen?«
»Ja.«
In seinen Augen tauchte ein Ausdruck plötzlicher Überraschung auf.
»Aber
woher zum Kuckuck wissen Sie das? Ich habe ihn verbrannt, sofort nachdem ich
ihn gelesen hatte.«
»Baby
hat mir heute vormittag davon erzählt«, sagte ich.
Babys
Fingerknöchel fuhr wieder in ihren Mund, und sie saugte erneut heftig daran.
»Das
ist unmöglich«, protestierte Clay. »Sie kann ihn gar nicht gesehen haben!«
»Eine
Person muß ihn außer Ihnen noch gesehen haben, Clay«, erklärte ich ihm. »Und
zwar die, welche ihn geschickt hat.«
Er
streckte die Hand aus, packte Babys Handgelenk und riß ihr die Hand vom Mund.
»Hast du den Brief abgeschickt?«
Sie
blickte ihn herausfordernd an, die dünnen Lippen verächtlich über die Zähne zurückgezogen.
»Ja, ich habe ihn geschickt. Ich wollte, daß du für das, was du mir angetan
hast, büßen mußt, Clay Rawlings, und daß ich dir Angie nach Carmel geschickt
habe, war nur der Anfang. Ich wollte, daß du leiden solltest, genau wie ich
durch deine Schuld innerlich leiden mußte.«
»Wie
steht es mit dem ersten Brief, Baby?« fragte ich. »Haben Sie den auch
geschickt?«
»Nein«,
sagte sie mürrisch. »Aber er brachte mich auf die Idee, einen weiteren zu
schicken. Ich wußte, daß sich Clay halb zu Tode ängstigen würde.« Sie lachte
kurz und bösartig auf. »Nach außen hin ist er noch immer der große, tapfere
Filmheld, aber innerlich ist er ein Hasenfuß!«
Es
klingelte erneut an der Haustür.
»O
nein!« sagte Sonia mit hysterisch kichernder Stimme. »Wer ist das nun wieder?
Niemand hat mir erzählt, daß wir heute hier einen Dorfabend veranstalten.«
»Das
klingt schon mehr nach >Hurra, hurra, jetzt ist die Bande da<«, sagte
ich. »Wollen Sie sie hereinlassen, Sonia?«
»Gut.«
Sie stand von der Couch auf und ging durchs Zimmer, wobei bei jedem Schritt das
schöne gerundete nackte Bein bis zum Ende des Oberschenkels sichtbar wurde. Sie
blieb an der Schwelle einen Augenblick lang stehen und blickte zurück.
»Wenn
das die Leute sind, die ich vermute«, sagte sie schüchtern, »so wissen Sie
hoffentlich, was Sie tun, Rick.«
»Das
hoffe ich auch«, sagte ich.
In
der Stille, die eintrat, nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, wandte sich
Baby von der Bar ab, ging auf einen Sessel zu und ließ sich hineinplumpsen. Der
Knöchel ihrer Hand fuhr wieder zum Mund, und sie saß da und beobachtete Clay.
Er achtete überhaupt nicht auf ihren Blick, trank stetig und schien in seine
eigene düstere Welt versunken zu sein. Ich zündete mir eine Zigarette an,
entfernte mich von der Bar und ging auf das Fenster zu. Draußen bot die
kalifornische Nacht noch immer ihren sternenübersäten Himmel dar, und die durch
das Fenster hereinstreichende Brise umstrich kühl mein Gesicht. Dann trat der
letzte Schub Besucher ein.
Lisa
kam als erste. Ihre feuchten braunen Augen blickten wachsam aus dem
Faunsgesicht, und ihre Lippen waren zu einem satyrhaften Lächeln verzogen. Sie
trug ihre kanariengelben Lastexhosen und ein weißes Oberteil, das nur eben ihre
üppigen Brüste verhüllte. Ihr pechschwarzes Haar war heruntergebürstet, so daß
es in langen, weichen Wellen über ihre Schultern hing, und bei jedem Schritt
schwangen lange silberne Ohrringe sorglos hin und her. Dann erschien Polly in
ihrer rosa Bluse und den marineblauen Shorts. Sie sah sich interessiert um,
vermied aber sorgfältig, mich unmittelbar anzublicken.
Als
nächstes tauchte die große, schlaksige Gestalt des »Dorfjungen« auf, und zwar
in seiner Uniform: schmutziges Trikothemd und blaue Arbeitshosen. Sein
häßliches, aber angenehm sommersprossiges Gesicht hatte einen schüchternen
Ausdruck, und nicht einmal der Streifen Heftpflaster auf seiner Nase konnte die
Huckleberry-Finn-Wirkung nennenswert beeinträchtigen. Sonia folgte den dreien
mit hilflosem Gesicht und blieb auf der Türschwelle stehen, um sie zu
beobachten.
»Hallo«,
sagte Lisa mit ihrer Kleinkinderstimme, die so ungeheuer verschieden von Babys
kindlichem Sopran war. »Sie haben aber eine prima Bude hier, Miss Dresden! All
diese weißen Teppiche!« Sie kicherte vielsagend. »Ich wette, Sie und der alte
Joey machen sich einen Mordsspaß daraus, darauf
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