Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
Vom Netzwerk:
Experiment. Ich möchte sie selbst einschläfern. Hypnotisieren. Vielleicht erinnert sie sich dann an ihre Jugend. Wie der Frosch, der sich in eine Kaulquappe zurückverwandelt hat.
    Mein Dad schweigt einen Augenblick. Dann hebt er den Kopf. Ach, Audrey …
    Warum denn nicht. Warum denn nicht.
    Du verstehst das nicht.
    Doch.
    Wir können doch nicht jedes Mal ein Versuchstier mit nach Hause nehmen, wenn …
    Aber sonst macht sich Verlaine daraus ein Mäusesandwich!
    Wir können keine Versuchstiere mit nach Hause nehmen. Punktum.
    Ich gebe keine Antwort. Und halte mich stattdessen an der Tür fest.
    Mein Dad tut so, als ob er ohne mich nach Hause gehen wollte. Dann wendet er den Kopf. Kommt zurück. Na schön. Erklär mir dein Experiment.
     
    I ch habe nicht geschlafen. Ich habe mein Gesicht ausgeruht. Auf dem Tisch. Wie im Kindergarten, wenn die Erzieherin sagte: Ruhig jetzt, enfants maudits . Kopf auf den Tisch.
    Mein Kopf liegt da, wo eigentlich Wedge sein müsste. Ich habe Wedge doch nicht etwa zerquetscht. Ich richte mich auf und taste meinen Kopf ab.
    Er klebt nicht in deinen Haaren. Er ist wieder in seinem Terrarium. Onkel Thoby stellt mir eine Tasse Kaffee hin. Der arme kleine Kerl wollte sich schon vom Tisch abseilen.
    Ich wische Sabber weg. Habe ich geschlafen, äh, mein Gesicht ausgeruht, brülle ich gegen die Kaffeemaschine an.
    Ja.
    Meine Herren. Die Kaffeemaschine ist aber ganz schön laut.
    Onkel Thoby trägt normalerweise knallige Pullover mit einem langgezogenen Ärmel. Heute ist sein Pulli schwarz. Ohne langgezogenen Ärmel. Er hat meinem Dad gehört.
    Wann hast du zuletzt etwas gegessen, fragt er.
    Ich überlege. Hm. Ein Stück Toffee in Terminal 1, wenn mich nicht alles täuscht. Oder war es Seife.
    Er öffnet den Kühlschrank.
    Du brauchst mir nichts zu machen.
    Wie wär’s mit einer Orange im Schloss, sagt er.
    Und dazu ein Stück Kuchen von Piety Pie, ergänze ich.
    Draußen ist es dunkel und windig. Seit wann denn das. Ich schaue auf die Uhr. Mittag.
     
    Wenn ich den Kopf wieder auf den Tisch lege, in derselben enfant-maudit -Stellung, fällt mir meine Montage bestimmt wieder ein. Montage ist ein Codewort für Traum. Mein Dad war gegen Träume. Genauer gesagt, gegen ihre ausführliche Erörterung am Frühstückstisch. Träume sind nur für den Träumenden von Interesse, sagte er. Also verschone uns damit.
    Und das von einem früheren Psychotherapeuten.
    Dabei war ich im Wesentlichen seiner Meinung. Ich hörte mir auch nicht gern die Träume anderer Leute an. Es sei denn, ich kam darin vor. Aber meine eigenen Träume lang und breit beim Frühstück zu erörtern – gibt es etwas Schöneres im Leben.
    Onkel Thoby sah das ganz genauso. Er schlug vor, unsere Träume künftig Montagen zu nennen.
    Was ist eine Montage.
    Eine Montage ist eine Bildfolge: schnell und wahr und wild gemischt.
    Ich nickte. Auf den Trick fällt er bestimmt herein.
    Mein Dad durchschaute ihn nach circa zwei Sekunden.
    Ich habe eine Montage gesehen.
    Wo.
    Ich blickte Hilfe suchend zu Onkel Thoby. In den Nachrichten, schlug er vor.
    Genau, in den Nachrichten. Über ein Mädchen, das in ihrem Arm ein Geheimfach entdeckte. Und in diesem Geheimfach lag ein Zettel. Und jetzt rate mal, was auf dem Zettel stand.
    Na sag schon.
    DNA.
     
    Als ich den Kopf wieder auf den Tisch lege, fällt mir ein, dass meine Montage in Oregon spielt und zwar viereinhalb Tage früher. Oregon liegt noch im Komma. Und mein Dad schreibt mit beiden Händen ein W in die Luft.
    Obacht. Kopf hoch. Onkel Thoby stellt eine Orange im Schloss auf den Tisch. Und eine zweite Tasse Kaffee.
    Zu einer zweiten Tasse Kaffee würde ich nicht Nein sagen.
    Eine Orange im Schloss ist das Schönste, was es gibt. Eine Orange, die in einem Schloss aus ihrer eigenen Schale liegt.
    In den Nachrichten hatte ich eine Montage gesehen, in der mein Dad gesund und munter war und mir von der Westküste zuwinkte.
    Ich auch, sagt Onkel Thoby.
    Du hattest dieselbe Montage.
    So ähnlich.

     
    Wie ich sehe, hast du meine Bitte um ein Stück Kuchen ignoriert. Aber das macht nichts.
    Er setzt sich mir gegenüber. Wirft zwei Alka-Seltzer-Tabletten in ein Glas. Guck mal, der Tycho-Krater. Unsere alte Nummer. Irgendwann sieht jedes Alka Seltzer genau aus wie der Mond.
    Danke für den Kaffee und das Schloss.
    Nichts zu danken.
    Die Orange hebt sich grell gegen seinen Pulli ab. Ich pule ein Stück heraus. Ich hätte da eine Frage, sage ich. Bist du bereit.
    Ich bin ganz Ohr.
    Hast du eine

Weitere Kostenlose Bücher