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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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Dabei kostet es euch eigentlich keinen Cent, denn ich habe Linda sagen hören, dass die Heizkosten im Mietpreis inbegriffen sind. Also was soll das Gejammer. Warum macht ihr es nicht einfach wie ich und freut euch über die Luft, die über der Heizung flirrt wie die Hitze über dem Asphalt. Freut euch des Lebens.
     
    Wird Audrey wiederkommen. Das ist hier die Frage. Oder steht mir ein Halterwechsel und damit ein Wechsel der Bezugsperson ins Haus. Und liegt ein solcher Halter- beziehungsweise Bezugspersonenwechsel überhaupt im Bereich des Möglichen oder gar Machbaren. Die Alternative ist nicht eben verlockend. Linda die Ungepflegte oder Chuck Stiller. So heißt Chuck nämlich mit Nachnamen. Das weiß ich, weil gestern Abend ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes an der Wohnungstür geklingelt und ihn mit Mr. Stiller angeredet hat.
    Was Linda aus irgendeinem Grund urkomisch fand. Möchten Sie vielleicht ein wenig Blut spenden, Mr. Stiller.
    Halt die Klappe. Nicht mehr lange, und du bist Mrs. Stiller.
    Nur über meine Leiche.
    Später warf er sein Buch auf den Boden mit den Worten, in jedem Stück käme irgendein Antonio vor, und immer müsse er dafür herhalten.
    Kleinvieh macht auch Mist.
    Was soll denn das nun wieder heißen.
    Es kann schließlich nicht jeder das große Los ziehen.
    Schwachsinn, sagte er.
    Chuck möchte Prospero sein und nicht dessen Bruder. Er möchte alles beherrschen und sich am Ende in sein Schwert stürzen. Oder in seinen Stab. Oder was weiß ich. Er habe diese Nebenrollen satt, hat er gesagt. Am liebsten würde er jemandem die Fresse polieren.
    Auf dem Boden klappte Im Bett mit Macbeth langsam, aber sicher zu.
    Chuck ist nämlich ein passionierter Faustkämpfer.
    Linda hat Audrey das einmal wie folgt erklärt: Du kennst doch diese Schauspieler, die im Park Shakespeare aufführen. Ja. Tja, Chuck gehört leider nicht zu ihnen. Wenn Chuck einen Park entdeckt, in dem ein Shakespeare-Stück gegeben wird, bringt er seine eigene Inszenierung mit seinen eigenen Schauspielern auf die Bühne. Sprich an ein und demselben Abend wird in ein und demselben Park womöglich zweimal ein und dasselbe Stück gespielt. Oft liefern sich die beiden Ensembles hinterher eine wüste Schlägerei. Diese Schlägereien ziehen ein ganz anderes Publikum an. Und damit lässt sich richtig Geld verdienen.
    Das ist allerdings nicht ganz ungefährlich. Letzten Sommer hat Chuck sich dabei eine Rippe gebrochen. Wenn man sich seinen Oberkörper genau anschaut, kann man die Delle sehen.
    Es ist ja nicht so, dass sie nichts Liebenswertes hätten, Linda und Chuck. Obwohl. Nein, eigentlich haben sie ganz und gar nichts Liebenswertes.
     
    Ich habe schon häufig – sehr häufig – die Bezugsperson gewechselt beziehungsweise wechseln müssen, aber es ist mir niemals leichtgefallen, und ich denke immer wieder: Diesmal schaffe ich es nicht.
    Zum Beispiel der Panasonic-Vertreter. Er war der Vormieter von Audrey und Cliff. Wie habe ich den Panasonic-Vertreter geliebt. Er war nur selten zu Hause, aber wenn, war es das Paradies auf Erden. Er kam mit schiefer Krawatte zur Tür herein und sagte: Puh, hab ich eine beschissene Woche hinter mir. Er hatte einen eigenen Bezirk. Einen sehr großen Bezirk. Damals wohnte ich noch in einem Panasonic-Druckerkarton, ohne Wärmelampe. Ich schlief viel.
    Er nannte mich Iris, nach dem Panasonic-Irisscanner, einem der neuen biometrischen Geräte in seinem Vertriebsportfolio. Eigentlich haben Schildkröten keine Iris. Wir haben sogenannte Nickhäute. Aber was soll’s. Wie er mir (beziehungsweise dem Badezimmerspiegel) erklärte, überprüfte der Panasonic-Irisscanner die Identität (hoffentlich) befugter Personen, bevor er ihnen Zutritt zu einem, sagen wir, Forschungslabor für hochansteckende Krankheiten gewährte, indem er, wie der Name schon sagt, ihre Iris scannte. Jede Iris habe ein individuelles Muster, sagte er. Die Iris sei noch einzigartiger als ein Fingerabdruck. Kann man »einzigartig« steigern, wollte ich wissen. Hoffentlich sagst du nicht auch »noch einzigartiger«, wenn du mit deinen Kunden sprichst, Mitt. So hieß er nämlich. Jedenfalls wurde er ein sehr erfolgreicher Vertreter. So erfolgreich, dass seine eigene Iris von den ganzen ungemein erfolgreichen PIS-Demonstrationen allmählich verblasste.
    Eines Tages dann verkündete er aus heiterem Himmel, er sei nach Dubai versetzt worden. Die Leute dort hätten Geld wie Heu und eine bunt schillernde, wunderschöne Iris, die nur darauf warte, ihrer

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