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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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durch den Spalt gezwängt.
    Wie ist er vom Kaminsims heruntergekommen. Gesprungen. Gefallen. O Gott.
    Ich setze mich auf den Boden und rufe nach ihm. Er brauchte wahrscheinlich dringend etwas Auslauf. Armer Wedge. Ich habe vergessen, den Trauerflor abzumachen, er brauchte dringend Auslauf, und darum ist er geflohen.
    Oder doch nicht. Wann habe ich ihn zuletzt gesehen. Nach der Beerdigung. Da sah er fix und fertig aus. Kein Wunder, nachdem die Leute vor seinem Terrarium Schlange standen. Oder nennen wir das Kind beim Namen. Nachdem die Verdächtigen vor seinem Terrarium Schlange standen.
    Erst einmal müssen wir die Möglichkeit ausschließen, dass er sich noch im Haus befindet. Also, erstens Haus durchsuchen. Zweitens Möglichkeit ausschließen. Und drittens eine Liste der Verdächtigen erstellen.
    Wenn manche Leute etwas verlieren, glauben sie sofort, es sei ihnen gestohlen worden. À la: Jemand hat meinen Handschuh geklaut. Solche Leute finde ich lächerlich. Andere Leute wiederum sehen, dass ihr Auto nicht in der Einfahrt steht, und reden sich ein, sie hätten es versehentlich woanders abgestellt. Der Trick ist, die goldene Mitte zu finden.
    Wenn ich ganz still sitze, höre ich ihn vielleicht scharren.
    Kein Scharren, nirgends. Ich beginne mit der Durchsuchung. Dabei gehe ich nicht besonders systematisch vor. Ich stampfe vielmehr panisch durchs Haus oder lege mich flach auf den Bauch, damit ich auch unter die Möbel schauen kann, und rufe dabei Wedges Namen. Der kleine Scheißer sitzt wahrscheinlich starr vor Schreck in einer Ecke und kaut an seinen Nägeln. Vielleicht hinter dem Kühlschrank. Na schön. Rücke ich den Kühlschrank eben ab. Und siehe da, irgendwie gelingt mir das sogar. Ich staune über meine eigene Kraft. Die Macht ist mit mir. Wedge ist nicht hinter dem Kühlschrank. Ich rücke ihn nicht wieder an die Wand. Wer sagt denn, dass ein Kühlschrank gerade stehen muss.

     
    Es klopft an der Tür. Das Geräusch holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Mein Pferdeschwanz ist weg. Genauer gesagt, aufgegangen. Wann ist denn das passiert. Ich bin ganz aufgeladen, wie ein Muppet. Als ich das neue Türschloss anfasse, bekomme ich einen Schlag. Verdammt. Es ist Byrne Doyle mit einem Kuchen von Piety Pie. Nicht Zitrone. Sondern Blaubeer. Trotzdem, nett von ihm. Kommen Sie rein.
    Jim Ryan hat mir erzählt, beginnt er.
    Meine Maus ist weg.
    Dass dein Onkel weg ist.
    Ja, der auch. Ich trage den Kuchen in die Küche.
    Byrne schlurft mir hinterdrein. Jacob Marley. Den keine Ketten am Fortkommen hindern, sondern ein Mantel.
    In einem anderen Mantel könnten Sie größere Schritte machen, sage ich.
    Er ist warm.
    Der Kuchen.
    Nein, der Mantel.
    Ja, aber auch mit erheblichen Nachteilen verbunden.
    An deinen Haaren sehe ich, dass du gestresst bist, sagt er. Setz dich, und iss ein Stückchen Kuchen.
    Ich setze mich. Byrne streift seinen Mantel ab. Wirft einen scheelen Blick auf den Kühlschrank. Schnuppert. Der Müll muss raus.
    Ja.
    Da es keine sauberen Teller mehr gibt, greift er erst einmal zu Spülmittel und Bürste.
    Danke, Byrne.
    Stets zu Diensten, sagt er.
    Ich sehe ihm beim Essen zu. Mit der Gabelkante schneidet er kleine geometrische Figuren ab und arbeitet sich so langsam von der Spitze zum Teigrand vor. Als würde er eine Einfahrt freischaufeln. Ich hingegen esse meinen Kuchen von oben nach unten. Ich hebe den Deckel mit der Gabel an. Das kann schon mal eine Stunde dauern. So viele Blaubeeren.
    Haben Sie vielleicht gesehen, wie jemand Wedge aus seinem Terrarium geholt hat.
    Hm.
    Meine Maus. Nach der Beerdigung.
    Er schüttelt den Kopf und schluckt.
    Da kommt mir ein Gedanke: Vielleicht ist jemand bei uns eingebrochen. Vielleicht war der Türknauf deshalb lose. Vielleicht ist jemand, der mit dem Nordwestschubs nur unzureichend vertraut war, in unser Haus eingedrungen und hat Wedge entführt.
    Brr, brr, macht Byrne und legt seine Gabel beiseite. Immer langsam mit den jungen Pferden, Fräulein.
    Schon gut. Ich zurre meinen Pferdeschwanz zurecht.
    Er erklärt sich bereit, mir bei der Suche nach Wedge zu helfen. Aber er warnt mich davor, in eine Die-ganze-Welt-willmich-verschaukeln-Haltung zu verfallen. Denn von dort gebe es kein Zurück. Er sei Politiker. Er kenne sich aus.
    Ich überlege, wer ihn wohl verschaukelt hat. Vielleicht das Wahlvolk, das ihn am langen Arm verhungern lässt.
    Ich schnappe mir eine Tüte Lakritz und renne die Treppe hoch.
    Wie sollte eine Maus da raufkommen.
    Über die

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